#68 Nils Ismer: Europas größter Araberzüchter
In seinem Leben dreht sich alles um die Tiere: Nils Ismer ist Tierarzt, Betreiber eines Tierparks und größter privater Araber-Züchter Europas. In dieser Podcast-Folge nimmt er dich mit in seinen spannenden Alltag und lässt dich an seinem umfassenden Pferdeverstand teilhaben.
Sein Großvater brachte den Stein ins Rollen: Ursprünglich zur Veredelung von Reitponys gedacht, schaffte er die ersten Araber an. Und nach und nach mauserte sich der niedersächsische Bauernhof zur professionellen Araber-Zuchtstätte. Als echter Araber-Liebhaber und Experte bringt Nils dir die Rasse näher. Er erklärt, welche Zuchtlinien es gibt, wofür sich die Tiere besonders eignen und warum auch in spanischen Pferden, englischen Vollblütern und Warmblütern ein bisschen Araber steckt.
Ist der Araber vielleicht auch das richtige Pferd für dich? Der passionierte Züchter beschreibt seine edlen Vierbeiner als echte Allroundtalente, menschenbezogene Charaktere und treue Freizeitpartner, mit denen du einfach "eine schöne Zeit" haben kannst. Klingt gut? Mehr erfährst du in diesem Gespräch mit Christian Kröber.
Podcast Transkript
Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.
[SPEAKER 2]Herzlich Willkommen zum wehorse Podcast. Mein Name ist Christian Kröber und heute zu Gast einer der größten Araberzüchter dieses Kontinents, Nils Ismer. Bevor es aber losgeht, noch der große Hinweis auf eine absolute Premiere, das wehorse Online Festival. Unter dem Motto 5 Trainer, 1 Tag, 100% Pferdeliebe haben wir 5 absolute Top Trainer zu einem Online Event am Sonntag, den 5.07. ab 10 Uhr versammelt. Es sind Ingrid Klimke, Uta Gräf, Conny Röhm, Anja Beran und Lisa Röckener. Es gibt inspirierende Präsentationen, Live-Frage-Sessions, ein großes Gewinnspiel und vieles, vieles mehr. Und das Beste daran, es ist 100% kostenfrei für alle Teilnehmer. Das Einzige, was du brauchst, ist ein Internetanschluss und wir liefern es dorthin, wo du gerade bist. Wir haben eine begrenzte Platzanzahl und falls du dich noch nicht angemeldet hast, unter wehorse.com/festival-de kannst du dies super easy tun. Es ist ein absolutes Highlight, eine absolute Premiere und wir freuen uns alle riesig drauf. Also das wehorse Online Festival am 5.07. Es ist ein Sonntag ab 10 Uhr www.wehorse.com/festival-de. Hallo im wehorse Podcast, Nils Ismer.
[SPEAKER 1]Hallo Christian, grüß dich.
[SPEAKER 2]Nils, du bist Betreiber oder du zusammen mit deiner Familie und deinem Team, du bist Betreiber eines großen Tierparks zwischen Bremen und Osnabrück in Ströhn, bist Tierarzt, aber vor allen Dingen auch einer der größten Araberzüchter Deutschlands. Genauer gesagt, habt ihr das größte private Arabergestüt Europas. Wenn du dich einmal selber beschreiben würdest, was genau macht ihr, was genau machst du?
[SPEAKER 1]Ja, im Grunde hast du das wunderbar zusammengefasst. Das spiegelt auch meine tägliche Arbeit eigentlich wieder. Die besteht natürlich mittlerweile viel aus Büro. Eigentlich habe ich mal Tierarzt gelernt, aber mittlerweile hat die Vielfältigkeit dieses Betriebes leider zur Folge, dass ich sehr viel Zeit auch am Schreibtisch sitze. Aber natürlich versuche ich immer auch als Tierarzt noch unterwegs zu sein und natürlich hier im eigenen Betrieb und auch die täglichen Anforderungen in einem Zoo, der wir ja definitionsgemäß sind und einem Arabergestüt mit knapp 200 Pferden verlangt natürlich auch mal tatkräftige Arbeit vor Ort.
[SPEAKER 2]Aber vor allen Dingen gerade in der Pferdewelt seid ihr bekannt durch das Gestüt Ismar, also die Araberpferdezucht. Wie kommt es, dass mitten in der norddeutschen Tiefebene Europas größtes privates Arabergestüt steht?
[SPEAKER 1]Die Idee hatte unser Großvater Rolf Ismar, bzw. der hatte eigentlich eine andere Idee. Und zwar wollte der Araber einsetzen, um Ponys zu veredeln, Reitponys. Dem waren die Ponys, die mein Vater und mein Onkel damals kriegten, etwas schwerfällig. Und der hat gesagt, so ein bisschen Typ, etwas Leichtigkeit, etwas Rahmen, etwas Härte tut denen ganz gut und hat dann die ersten Araber gekauft, um diese Ponys zu veredeln. Das sind bis heute auch die Grundlage für die deutsche Reitponyzucht in großen Teilen. Also wenn man da hinten in die Pedigrees mal reinguckt, da findet man häufig noch Araber in den Blutlinienführungen und das war der Ursprung. Dann hat mein Vater relativ früh die Zucht übernommen und hat dann angefangen, die Araber in der Rheinzucht weiter zu züchten. Das hat sich dann in den 60er, 70er Jahren enorm entwickelt. Und so ist das dazu gekommen, dass auf einem alten niedersächsischen Bauernhof heute knapp 200 Araber stehen.
[SPEAKER 2]Bevor wir da weiter eintauchen, ist glaube ich einmal wichtig, dass wir darüber sprechen, was ist eigentlich der Araber? Also ursprünglich aus dem Nahen Osten, arabische Halbinsel, wie der Name ja auch sagt. Aber wenn man jetzt mit dem Araberpferd zu tun hat, es gibt dann Schakia-Araber, es gibt ägyptische Linien, es gibt eine polnische Araberpferdezucht. Was ist der Araber im Jahre 2020?
[SPEAKER 1]Grundsätzlich ist der Vollblutaraber eine der, wenn nicht die älteste Pferderasse der Welt. Sie definiert sich an ihrem Herkunftsgebiet, nämlich dem Mittleren Osten, die arabische Welt, aber auch Nordafrika bis hin nach Syrien, Irak. All das wird als Ursprungsgebiet des arabischen Pferdes gesehen. Der Vollblutaraber hat ein geschlossenes Stutbuch, das in den letzten 20, 30 Jahren im Grunde definiert wurde und in das auch keine Pferde mehr aufgenommen werden. Wir haben eine sehr weit zurückführende Nachkommendokumentation, sodass wir ganz klar sagen können, wer ist ein Vollblutaraber und wer nicht. Aber der Araber ist natürlich auch Ursprungsrasse oder Veredelungsrasse für viele andere Pferderassen auf der Welt. Also wenn man dann weiter zurückguckt, findet man in jedem Warmblüteraraber, in fast jedem Pony, in den spanischen Rassen und natürlich im englischen Vollblut, wird man immer wieder arabische Pferde finden. Und innerhalb der Araberzucht gibt es dann auch noch Kreuzungen, nämlich zum Beispiel den Chagia, den du angesprochen hast. Der Chagia ist Kreuzung von Vollblutaraber mit ungarischem Warmblut, wobei der Vollblutaraberanteil hier in der Regel über 90 Prozent beträgt. Das heißt, sie sind sehr stark arabisch geprägt, sind wunderbare Kutschpferde, wunderbare Sportpferde. Wir selber hatten zwei Chagia-Hengste, die im Vierseitigkeitssport und im Springsport bis zur schweren Klasse gegangen sind. Das sind leider Pferde, die immer weniger zu finden sind. Die Chagia-Zucht ist mittlerweile fast eine Erhaltungszucht, keine Selektionszucht mehr. Aber ganz tolle Pferde, auch charakterartig ganz wunderbare Pferde.
[SPEAKER 2]Also Erhaltungszucht, um das einmal zu erklären, heißt, dass man jetzt nicht mehr auf irgendein Zuchtziel hinarbeitet, sondern man arbeitet eigentlich nur noch daran, diese Rasse zu erhalten und man ist froh, dass es sie noch gibt.
[SPEAKER 1]Ja, richtig. Zumindest in Deutschland, in Ungarn gibt es sie noch weiter verbreitet, aber gerade in Deutschland sind die Chagias in den letzten Jahren leider stark zurückgegangen. Ich kann nur appellieren an diejenigen, die Interesse haben, Chagias zu züchten. Das sind ganz, ganz tolle Pferde. Dann haben wir die Anglo-Araber, die du angesprochen hast. Das ist eine Kreuzung zwischen englischem Vollblut und Vollblutaraber. Also im Grunde leichtere englische Vollblüter. Das sind ganz tolle Pferde, vor allem für den Vielseitigkeitssport. Und auch im Springsport gibt es Anglo-Araber, die sich überragend präsentiert haben. Bonaparte ist so ein Hengst, den man vielleicht in der Szene kennt. Und dann haben wir innerhalb der Vollblutaraber noch Zuchtrichtungen, möchte ich das mal nennen. Das hat auch mit den Herkunftsgebieten zu tun. Du hast die Polen angesprochen. Hier hat die Araberzucht eine besonders große Tradition. Vor allem in den Staatsgestüten, die zum Teil, so wie Janow Podlaski an der Weißrussischen Grenze, über 200 Jahre Tradition haben und die bis heute überragende Araber züchten. Und da hat man irgendwann gesagt, okay, es gibt Liebhaber dieser polnisch geprägten Pferde, die sehr stark auf Leistung selektiert wurden. Und man nennt also diese Pferde mit rein polnischer Herkunft oder rein polnisch. Das Gleiche gibt es im Ägyptischen. Es gibt eine Zuchtrichtung der Araber, die alle ihren Ursprung aus den ägyptischen Zuchtbüchern haben. Das sind rein ägyptische Pferde, die vom Phänotyp häufig eher typgeprägt sind, aber auch eine bedeutende Rolle in der Gesamtpopulation darstellen. Und so hat jeder versucht, so ein bisschen sein Gebiet abzustecken, seinen Pferden eine besondere Marke oder ein besonderes Branding zu geben. Aber im Grunde als wirklich züchterisch definierten Begriff gibt es den Vollblutaraber.
[SPEAKER 2]Und da gibt es ja, wie du sagst, verschiedene Einsatzgebiete, wenn ich es jetzt mal oder Zuchtziele. Wie wird denn der Araber heutzutage eingesetzt?
[SPEAKER 1]Ja, das Besondere am arabischen Pferd ist ja neben seiner Schönheit seine Vielseitigkeit. Wir haben eigentlich nichts, wo man den Araber nicht einsetzen kann. Von Kutsche fahren, Dressur, Springen, Dressur, Freizeit, Liebhaben, Schönheitsshow. Man kann eigentlich alles mit dem machen. Natürlich nicht alles bis zur olympischen Klasse. Also wenn man im Springen Olympia reiten will, dann sollte man sich vielleicht eher einen Warmblüter suchen. Aber es gibt auch hier ein paar Disziplinen, wo der Araber führend ist. Unter anderem der Distanzsport. Ein extrem harter oder beanspruchender Sport, der auch in Europa in den letzten Jahren vieler Bedeutung gewonnen hat. Und natürlich im mittleren Osten. Da haben wir leider in den letzten Jahren auch immer wieder Bilder und auch Ausprägungen gehabt, die mit unserem Verständnis des Pferdesports heute nicht vereinbar sind. Aber wenn man das vernünftig macht und unter kontrollierten, guten Bedingungen, ist das ein sehr faszinierender Sport, bei dem die Pferde bis zu 160 Kilometer am Stück gehen. Und das ist natürlich schon Hochleistungssport. Du selber kennst das. Dein Vater hat den Distanzsport mit nach Deutschland gebracht. Das ist eine Disziplin, die der Araber heute weltweit führend macht, weil er einfach diese Härte und Ausdauer besonders hat. Daneben gibt es immer noch einen Rennsport, der in Deutschland im Moment eher brach liegt, aber in Frankreich und in den arabischen Ländern sehr stark läuft. Dann ist der Araber enorm wichtig im Freizeitbereich. Es ist ein Liebhaberpferd für Menschen, die einfach eine gute Zeit mit einem Pferd verbringen wollen, weil der Araber unheimlich menschenbezogen, feinfühlig ist und man ihn eben wunderbar nutzen kann, um in den Wald zu reiten, um ins Gelände zu reiten und eine schöne Zeit zu haben. Und dann gibt es die sogenannte Showszene. Das sind Veranstaltungen, wo es um die Schönheit, um einen reinen Phänotyp geht. Da werden die Pferde an der Hand vorgeführt.
[SPEAKER 2]Also Phänotyp heißt in dem Sinne das äußere Erscheinungsbild in Bezug auf das Zuchtziel?
[SPEAKER 1]Richtig, genau. Das ist eine international recht große Szene mittlerweile, die in Europa, in den Vereinigten Staaten, in Südamerika, im südlichen Afrika und vor allem im arabischen Raum mittlerweile sehr große Ausmaße angenommen hat. Es gibt dort weltweit um die 200 Veranstaltungen, die jedes Wochenende irgendwo stattfinden und wo es zum Teil auch um richtig viel Preisgeld geht. Und dementsprechend sind natürlich auch die Eitelkeiten und auch die Professionalisierung dort auf einem recht hohen Standard.
[SPEAKER 2]Wenn du jetzt einmal auf den Distanzsport schaust, hast du es richtigerweise gesagt, der ja sehr stark bis sehr, sehr stark in der Kritik steht. Wie schaust du da drauf? Sind das dann Einzelfälle von Sportlern aus dem arabischen Raum? Oder da sieht man ja immer wieder auch die Bilder mit Arabern, wo einfach Dinge komplett falsch laufen. Wie guckst du da drauf?
[SPEAKER 1]Sehr kritisch. Also das ist ein regionales Problem, was dem grenzenlosen Streben nach Erfolg leider geschuldet ist und einem völlig anderen Bild von der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier, als wir es im westlichen Raum haben. Wenn ich das Tier als Sportgerät sehe, das Pferd als Sportgerät nutze, ohne dabei auf etwaige Schäden oder Probleme des Pferdes zu achten, dann kommt es zu solchen Auswüchsen, bei denen man leider in dem einen oder anderen Fälle auch wirklich von Tierquälerei reden muss. Und das ist nicht der Sport, wie wir ihn mit Pferden haben wollen. Das muss man ganz klar sagen. Die FII hat sich hier auch sehr stark…
[SPEAKER 2]Also der internationale Weltreiterverband?
[SPEAKER 1]Richtig, hat sich sehr stark, sehr deutlich positioniert. Auch gar nicht anders möglich, weil es unserem ethischen Bild vom Pferdesport nicht entspricht. Aber wenn man den Sport als Ganzes sieht, den Sport in seiner ursprünglichen Art und auch den Sport in der Art, wie es das Regelwerk der nationalen und der internationalen Verbände vorsieht, ist es ein toller Sport, ein herausfordernder Sport für Reiter und Pferd. Aber ein Sport, der auch zeigt, zu was ein Paar von Mensch und Pferd imstande ist, zu leisten, wenn man es vernünftig macht, sich vernünftig vorbereitet und auch die Ansprüche und auch auf die Notwendigkeiten des Pferdes und auch natürlich des Reiters achtgibt.
[SPEAKER 2]Noch einmal die Erinnerung an das WeHorse Online Festival am 05.07. Ingrid Klimke, Uta Gräf, Conny Röhm, Anja Beran und Lisa Röckner, alle an einem Tag kompakt serviert für dich nach Hause und das Ganze auch noch kostenfrei. Tickets sind begrenzt www.wehorse.com. slash festival minus de. 05.07. notieren. Die Showszene, wie du auch gerade ansprachst, gibt es ja beispielsweise auf dem Gelände in Aachen bei der CAIO. Es gibt ja auch eine große Araber-Veranstaltung, die auch zu einem der größten weltweit zählt. Das ist ja schon so eine Szene für sich, wo auch sehr viel Geld im Spiel ist. Ist das etwas, was dann auch tatsächlich die Araber-Szene ausmacht, dass man sehr viel auf diesen Phänotyp guckt und gar nicht so sehr jetzt auf den Einsatz oder Verwendungszweck, sondern dass dieses äußere Erscheinungsbild für den Araber-Liebhaber so unglaublich wichtig ist?
[SPEAKER 1]Ja, der Araber zeichnet sich ja durch seine besondere Schönheit, durch sein einmalig und ausdrucksstarkes Erscheinungsbild aus. Das ist Leitbild dieser Rasse. Aber es gehört eben noch viel mehr dazu. Die Schauszene selber ist sicherlich dadurch geprägt, dass sie ihren Schwerpunkt auf die Schönheit des Pferdes zielt. Wobei man ganz klar sagen muss, ein schöner Araber für viele Züchter ist auch nur ein funktionabler Araber. Also ich persönlich oder unsere Familie möchte kein Pferd züchten, was zwar extrem schön ist, aber nicht mehr funktionabel, also nicht mehr rittig, nicht mehr reitbar und vielleicht auch in Teilen seines Körperbaus nicht mehr den Ansprüchen eines Reitpferdes entspricht. Das muss man ganz klar sagen. Die Szene selber entwickelt sich leider häufig in eine Richtung, wo es um offensichtliche Schönheitsmerkmale geht. Also schönes Gesicht, feine Halsung, eine starke Ausstrahlung, was ja auch wunderbar ist. Aber wir haben leider in der Szene häufig auch Menschen, denen so die Grundbeurteilung eines Pferdes nicht mehr so von der Hand geht, wie es vielleicht den meisten landwirtschaftlich geprägten Züchtern vor 30, 40 Jahren noch ging. Und dabei kommt es eben immer wieder dazu, dass Pferde nach vorne gestellt werden, die in gewissen Qualitätsansprüchen nicht mehr dem klassischen Pferdebild vollends entsprechen, was natürlich extrem schade ist und auch für die Zucht nicht immer gut ist. Das liegt aber mehr in der Interpretation der Menschen als in der eigentlichen Idee der Arabashow. Und wir alle sind oder tun gut daran, wenn wir gute Bewegungen, gute Fundamente, einen korrekten Körperbau im Blick behalten und für die Zucht als wichtig interpretieren und auch selektieren. Denn ich glaube, dass wir nur so für die Zukunft gut aufgestellt sind und gesunde, funktionale und auch schöne Pferde züchten.
[SPEAKER 2]Wo liegt jetzt zurzeit so das Zentrum der Arabapferdezucht? Also ihr natürlich hier in Europa, aber wie der Name schon sagt und wir auch schon ein bisschen herausgearbeitet haben, von der arabischen Halbbeminnung ursprünglich, ist da auch weiterhin so, dass das Epizentrum der Arabapferdezucht? Oder verlagert sich das so rüber nach Europa?
[SPEAKER 1]Es hat sich in den 60er, 70er, 80er Jahren nach Europa und in die USA verlagert und hat sich jetzt in den letzten 15 Jahren wieder in den Mittleren Osten verlagert. Denn die arabischen Länder und ihre Bewohner haben in den letzten 20, 25 Jahren das arabische Pferd als Teil ihrer Kultur, als Teil ihrer Geschichte und als ganz besonderes Element ihrer Umwelt wiedererkannt und haben aufgrund des größer werdenden Wohlstandes angefangen, diese Pferde aus Europa und aus den USA wieder in den arabischen Raum zu importieren. Und mittlerweile muss man sagen, dass einige der erfolgreichsten und auch größten Zuchtstätten und auch einige der wichtigsten und größten Events wieder in Ländern wie Saudi-Arabien, den Arabischen Emiraten, Katar, Kuwait, Ägypten, um nur einige zu nennen, stattfinden oder beheimatet sind. Und daher muss man sagen, mittlerweile liegt das Zentrum der Araber Zucht wieder in den arabischen Ländern.
[SPEAKER 2]Und wie du auch sagst, ist es sehr viel Tradition, auch die um dieses Pferd geknüpft wird, gerade in den arabischen Ländern. Das ist schon einfach sehr, sehr tief verwurzelt dort in der Tradition.
[SPEAKER 1]Die Liebe zum Pferd absolut. Und das Pferd spielt eine große Rolle. Man muss sich zurückversetzen in die Zeit, in der es keine automobilen Flugzeuge oder sonstige Fortbewegungsmittel gab. Und in der arabischen Welt, lange Zeit, als wir hier schon etwas weiter waren in der Industrialisierung, das Pferd nicht nur Kriegsgerät war, Transportmittel, sondern auch und vor allem täglicher Lebenspartner und Statussymbol. Und wenn man den Koran liest, spielt auch dort das arabische Pferd eine enorme Rolle. Und dadurch hat es nicht nur als Statussymbol, sondern auch als Kulturgut einen unheimlich hohen Status in diesen Ländern, in der arabischen Kultur. Und das ist für uns ganz faszinierend, denn wir als Züchter lieben dieses Pferd. Wir leben mit ihm jeden Tag und wir finden dort Menschen, die das in ihrer Kultur ganz, ganz tief verankert haben. Und nicht etwa vor 200 Jahren, sondern vor 30, 40, 50 Jahren, wo das Pferd noch eine lebenswichtige und zentrale Rolle in der Kultur der arabischen Länder gespielt hat.
[SPEAKER 2]Und das ist ja auch so ein bisschen der Unterschied zu uns in Europa, wo das Pferd ja de facto seit dem Zweiten Weltkrieg eigentlich nicht mehr im täglichen Leben eine lebensnotwendige Rolle spielt, sag ich mal. Das ist da auch einfach anders gewesen oder ist anders?
[SPEAKER 1]Ja, ich sag mal, die Industrialisierung ist dort später eingezogen. Erst mit dem Ölreichtum hat man sich ganz anders orientiert im sozialen Leben, im täglichen Leben. Bei uns ist das sicherlich schon mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zum Teil eingezogen. Und wie du richtig sagst, nach dem Zweiten Weltkrieg explizit in vollem Umfang.
[SPEAKER 2]Nun, Showpferde, Rennpferde, gerade auch aus dieser Tradition des arabischen Raums, wo es einfach ja, wenn man durch die Wüste reitet, braucht man ein widerstandsfähiges Pferd, was gleichzeitig aber auch, mit dem man schnell über Distanzen kommt. Das ist ja auch ein sehr, sehr wichtiges Thema. Aber wie unterscheidet ihr jetzt heute, also in eurer täglichen Arbeit, ist das eher ein Pferd, was Richtung Showbereich geht, also auf die Zucht schauen und so weiter? Welches Pferd wird selektiert Richtung Rennpferd, was ja wieder ein ganz, ganz anderer Bereich ist? Welches wird einfach ein Reitpferd? Wie geht ihr da vor?
[SPEAKER 1]Also unser Zuchtziel ist vielleicht in zwei Sätzen zusammenzufassen. Wir möchten einen typstarken, leistungsfähigen, gesunden und edlen Araber züchten, der den Ansprüchen eines Reitpferdes, eines Freizeitpferdes, aber auch eines modernen Schaupferdes entspricht. Wenn man das jetzt weiter aufdröselt, muss man sagen, dass die Rennpferde und auch der Distanzsport im Hochleistungsbereich heute durch andere Typen geprägt ist, als wir sie hier in Ströhen züchten. Die Franzosen haben durch Blutlinien, die definitionsgemäß reine Vollblutaraber sind, vom Typus her aber viel Richtung englisches Vollblut gehen, Pferde gezüchtet, die im Rennsport mit den alten Typen, mit den polnischen oder ägyptischen Typen, eigentlich nicht zu schlagen sind, nur in einzelnen Fällen. Das sind aber arabische Pferde, wie wir sie vom Phänotyp her nicht züchten wollen. Man muss sich das so vorstellen, dass man in der Warmblutzucht mit einmal einem Pony hat, was höher springt als alle anderen. Deswegen werde ich nicht anfangen, als Warmblutzüchter Ponys zu züchten. Das sind gute Pferde, das sind starke Pferde, aber es sind nicht die arabischen Pferde, wie wir sie, als Familie Ismar und wie auch der Großteil der araber Szene, der nicht im Distanzsport oder im araberen Rennsport ist, haben möchte. Wir haben uns als Suchtziel ein Pferd gesetzt, was auf den großen Schauen gewinnen kann, von der Schönheit her, von der Typpräsenz her, von der Bewegungsfähigkeit her, von der Korrektheit. Dieses Pferd muss aber und soll aber immer auch reitbar sein, denn die Schauszene ist so spezialisiert, dass wenn geringe Mängel im Phänotyp da sind, die Pferde dort keinen Blumentopf mehr gewinnen. Wir müssen ja auch die anderen vernünftig vermarkten, wir müssen sie einem vernünftigen Markt zuführen und möchten deswegen immer ein Pferd haben, was auch reitbar ist, was rittig ist. Mich persönlich sprechen Pferde an, die einen Stolz haben, die einen Ausdruck haben. Und dieser Stolz wird in vielen Teilen auch symbolisiert oder gezeichnet durch die Fähigkeit, sich gut, gleichmäßig, aber auch schwungvoll zu bewegen. Und um das erreichen zu können, muss ich ein Pferd haben, was gut konstruiert ist, im Körper, in den Gliedmaßen. Und ich muss ein Pferd haben, was im Typbild dem eines arabischen Pferdes entspricht. Und das sind die Merkmale, nach denen wir, und das bin in dem Fall meistens wirklich ich, die Pferde hier selektieren und nach denen wir unsere Zuchtidee und unsere Zuchtzukunft ausrichten.
[SPEAKER 2]Ihr habt, glaube ich, knapp 15 Deckhengste, richtig? Und ist da dieses Thema Veredelung, wo wir eingangs schon mal drüber gesprochen haben, ist das jetzt heutzutage noch ein Thema? Weil in den 50er, 60er Jahren, als die Pferde in Mitteleuropa noch recht schwer waren und nicht so dieses moderne Sportpferd, was wir heute alle kennen und lieben, ist diese Veredelung heute noch überhaupt ein Thema in der traditionellen deutschen Zucht? Also die deutschen Warmblutzuchtverbände, schauen die noch auf dieses Thema drauf?
[SPEAKER 1]Ja, tun sie. Aber stiefkindlich, wenn man ehrlich ist. Natürlich ruft die Warmblutzucht immer wieder nach Veredlern, sei es aus dem Vollblutbereich, sei es aus dem arabischen Bereich, anglo-arabischen Bereich oder auch bei den Trakenern. Das wissen wir alle. Alle suchen Blut, wollen gerne veredeln. Aber wenn es dann dazu kommt, dass man einen Hengst hat, den anbietet, ist in der modernen Züchterschaft häufig doch das eigene Portemonnaie näher als der Zuchtverstand aus meiner Sicht. Denn um ein Blüter, den man gerne in der zweiten, dritten Generation hat, in die Zucht zu bekommen, muss irgendwann jemand den Schritt machen und die erste Generation züchten. Und diese Bereitschaft, und jetzt muss ich den alten Spruch mal rausholen, in Generationen zu denken. Und die erste Generation zu züchten, um dann hinterher das Produkt zu haben, was sie haben. Die Bereitschaft ist häufig nicht mehr gegeben und viele Züchter züchten Fohlen, um sie zu verkaufen, zu vermarkten. Und da kann ich natürlich mit einem Arber oder mit einem Blüter oft nicht so punkten. Wir selber und bei unserer Auswahl spielt das schon noch eine Rolle. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Pferde gezüchtet und auch vermarktet, die diesen Ansprüchen, glaube ich, gerecht geworden sind. Das Paradebeispiel war der Hengst IS Orloff, ein Vollblüterarber Hengst polnischer Zucht, der in Ströhen geboren ist, der viel Leistungsblut in seinem Pedigree verankert. Und dieser Hengst hat nicht nur eine Erforderung in der Hengstleistungsprüfung in Marbach gegen Warmblüter abgelegt, er war damals Zweiter, hat den Dressurindex gewonnen, sondern entspricht auch in seinem Erscheinungsbild, glaube ich, einem modernen Sportpferd, natürlich arabisch geprägt. Und er hat immerhin in den letzten Jahren über 100 Stuten in der Warmblutzucht gedeckt und davon sind auch einige Nachkommen erfolgreich im Sport gegangen, auf Fohlen schauen etc.
[SPEAKER 2]Okay, also es ist eigentlich weiter ein Thema, aber es gibt natürlich auch neben dem privaten Sektor des Arberreichs tatsächlich in Deutschland auch eine staatlich geförderte Araberzucht, nämlich auf dem baden-württembergischen Landgestüt in Marbach gibt es tatsächlich ja auch Araber.
[SPEAKER 1]Absolut richtig. Das basiert auf einem geschichtlichen Event, und zwar hat Marbach die Ställe und die Flächen des königlichen Gestüts Weil bekommen, allerdings mit der Auflage, die Araberzucht, die Kaiser, ich glaube, Willem I. war es, korrigiere mich, wenn es falsch ist.
[SPEAKER 2]Ich weiß es leider nicht.
[SPEAKER 1]Okay, in Weil etabliert.
[SPEAKER 2]Das kann nur stimmen jetzt.
[SPEAKER 1]Also wir reden so über die Zeit Anfang 19. Jahrhundert. Dort hat Kaiser Willem I. eine Araberzucht in Württemberg etabliert, und um diese zu erhalten, hat er eben diese Zucht irgendwann an das Haupt- und Landgestüt Marbach übergeben, nicht er, sondern seine Nachkommen, allerdings mit der Verpflichtung, diese Zucht auch zu erhalten. Und dieser Verpflichtung kommt das Haupt- und Landgestüt natürlich nach. Sie haben eine sehr gute etablierte Zucht, besonders auch alter Linien, die zum Teil nicht mehr so präsent sind im aktuellen Geschehen und haben eine ganz wunderbare silberne Herde, wie man so schön sagt. Und wir sind froh, dass es Marbach gibt, die diese Zucht erhalten und das arabische Pferd in Deutschland natürlich auch mit promoten und ihm eine Identifikation geben.
[SPEAKER 2]Nun ist es ja schon ungewöhnlich, dass eine so große Araberpferdezucht in Niedersachsen ist. Nun ist es so, habt ihr auch noch nebenbei ein Tierpark, oder nicht nur nebenbei, sondern das ist natürlich mindestens beides gleichwertig. Wie kommt es dazu, dass du und ihr noch einen Tierpark betreibt, der ja, glaube ich, über 300.000 Quadratmeter groß ist, mit heimischen Tieren, exotischen Tieren und, und, und, und, wie kommt das zueinander?
[SPEAKER 1]Also zunächst muss ich das mal korrigieren. Wo sonst soll ein solches Gestüt sein in Deutschland, wenn nicht in Niedersachsen? Wir sind Pferdeland Nummer eins und es gibt keine bessere Gegend, um Pferde zu züchten weltweit als Niedersachsen.
[SPEAKER 2]Sehr guter Konter.
[SPEAKER 1]So, jetzt zur zweiten Frage, die natürlich berechtigt ist. Das gründet auch wieder in unserem wunderbaren, aber leicht verrückten Großvater Rolf, der schon immer tierverrückt war, ein Wahnsinniger im positiven Sinne, ein guter Freund von Professor Lorenz. Und er ist im Zweiten Weltkrieg hier auf den niedersächsischen Hof der Familie Wege geheiratet und hat also sein Hobby dann weitergelebt und hat also eine Unmenge an Tieren im Garten und hinterm Garten gehalten und war also ein Irrer sozusagen. Und die haben dann sonntags Besuch bekommen von vielen Leuten, die sich gefreut haben an den wunderschönen Vögeln und Hirschen und allen möglichen Gefieh, was er dort hatte. Und irgendwann war die Not in der Landwirtschaft hier relativ groß, dass es drei Jahre in Folge gab, in der es sehr nass war. Und wir sind ja hier in einer moorigen Gegend und ein Großteil der Flächen war also nicht nutzbar. Und so kam es zu finanziellen Nöten. Und dann hat mein Großvater die Idee gehabt, aus seinem Hobby eine Geschäftsidee zu machen und hat also 1959 dieses wunderschöne Gebiet hier des Wegeschen Hofes in einen Tierpark verwandelt. Wir haben ja einen alten Flusslauf hier und haben einen ganz tollen alten Baumbestand. Und das ist natürlich die perfekte Kulisse, um Tiere in natürlicher Umgebung zu zeigen. Und so ist also diese Idee entstanden, einen Tierpark zu gründen. Das hat dann auch relativ erfolgreich Fuß gefasst und war in den 60er Jahren schon ein beliebtes Ausflugsziel hier in der Gegend. Und als mein Vater 1966 den Betrieb übernommen hat, hat er das weiter ausgebaut mit der Familie. Und 1984 wurde dann das Gestüt als Teil des Tierparks mit dazu geöffnet. Also die Leute konnten dann durch die Ställe gehen und so hat sich das Stück für Stück weiterentwickelt. Also kurz gefasst im Grunde aus einer Not geboren, das Hobby zum Beruf gemacht.
[SPEAKER 2]Aus der Not die Tugend gemacht.
[SPEAKER 1]Richtig.
[SPEAKER 2]Und ihr veranstaltet auch ein Vielseitigkeitsturnier. Das war ja auch noch gesagt.
[SPEAKER 1]Wir veranstalten noch viel, viel mehr. Aber richtig, das Vielseitigkeitsturnier ist in der Reiter-Szene sicherlich eines der bekanntesten Events. Wir haben über viele Jahre ein internationales Vielseitigkeitsturnier hier zusammen mit dem Ströher Reitverein organisiert. Also den muss man dabei besonders herausheben. Wir haben einen ganz tollen, gut funktionierenden Reitverein gespickt mit fleißigen Menschen, die sich der Organisation von Pferdesportveranstaltungen mit voller Leidenschaft hingeben. Ohne das wäre das nicht möglich und wir sind froh, Teil davon zu sein. Und wir hatten dann als Highlight in den letzten beiden Jahren die Deutschen Ponymeisterschaften in der Vielseitigkeit. Was natürlich immer wieder ein Höhepunkt war, hier Ponysport der allerhöchsten Qualität bei uns auf dem Gelände zu haben.
[SPEAKER 2]Lieber Nils, am Ende eines jeden WeHouse-Podcasts gibt es die vier klassischen WeHouse-Fragen, die ich auf dir stellen möchte. Und Frage Nummer eins ist, hast du ein Motto, nach dem du lebst?
[SPEAKER 1]Das ist aber eine sehr komplizierte Frage, habe ich ein Motto, nach dem ich lebe. Also ich versuche authentisch und integer zu sein in allem, was ich tue. Mein Motto ist, dass man sich eigentlich zweimal im Leben sieht und ich versuche, alles das, was ich mache, auch hinterher verantworten zu können. Das ist eigentlich das Grundmotto meines Lebens. Also Motto und Lebensgrundsatz quasi. Richtig.
[SPEAKER 2]Dann Frage Nummer zwei, gibt es ein Menschen, der dich vielleicht auch im Hinblick auf die Pferde besonders geprägt hat?
[SPEAKER 1]Absolut, mein Vater, der natürlich einfach durch sein Wirken auf dem Betrieb und in der internationalen Welt meine Idee des arabischen Pferdes, meine Idee des Züchtens mehr geprägt hat als jeder andere. Der zweite war sicherlich Marek Treller, ehemaliger Direktor des polnischen Staatsgerichtshofs Janów Podlaski.
[SPEAKER 2]Okay, wenn du Reitern oder Pferdemenschen eine Sache im Umgang mit ihren Pferden auf den Weg geben könntest, was wäre es? Also eine einzelne Sache. Respekt. Sehr gut. Und zum Abschluss vervollständige bitte diesen Satz, Pferde sind für mich.
[SPEAKER 1]Der größte Teil meines Lebens.
[SPEAKER 2]Wunderbar. Vielen Dank, dass du bei uns warst, lieber Nils. Ich glaube, ein interessanter Einblick mal in die Araberwelt, die großen Einfluss auf den gesamten Pferdebereich hat und hatte. Und deswegen schön, dass du bei uns warst. Vielen Dank, Nils Ismer.
[SPEAKER 1]Ich danke, es war eine große Freude, Christian.
[SPEAKER 2]Falls dir diese Podcast-Folge gefallen hat, lass gerne eine 5-Sterne-Bemerkung da. Wir sagen Dankeschön.