#101 Star-Fotograph Jacques Toffi: Von der Seefahrt zur Fotografie
Jacques Toffi gehört zu den bekanntesten Pferdefotografen. Er fotografierte schon auf dem Derbyplatz in Hamburg, bevor er mit Fotos Geld verdiente.
Ursprünglich führte sein beruflicher Weg in die Seefahrt, die Fotografie nahm aber recht schnell Überhand. Zu Beginn wollte Jacques Toffi nicht nur Pferde fotografieren und es fanden sich auch Fußballspiele, Boote und einiges mehr vor seiner Kamera. Durch eine hohe Nachfrage aus dem Reitsport entdeckte er dann jedoch die Vielfältigkeit rund ums Pferd.
In dieser Folge des wehorse-Podcasts erklärt der Fotograf, warum man nicht in einem Satz zusammenfassen kann, was ein gutes Foto ausmacht und warum ihn besonders die Reiter als Person interessieren.
Podcast Transkript
Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.
[SPEAKER 2]Herzlich willkommen zur neuesten Folge des wehorse Podcasts. Mein Name ist Christian Kröber und heute haben wir einen der bekanntesten, wenn nicht sogar der berühmtesten Pferdesportfotografen zu Gast. Seit knapp 40 Jahren porträtiert und fotografiert Jacques Toffi die Pferdewelt und ihre Persönlichkeiten auf der Suche nach dem ganz besonderen Bild. Ich habe ihn getroffen, unweit seiner fotografischen Heimat. Das ist der Hamburger Derbypark in Klein-Flottbeck, dort wo in Non-Corona-Zeiten alljährlich das Deutsche Spring- und Ressort-Derby stattfindet. Bevor es losgeht, darf ich dich aber noch auf einen ganz besonderen, neuen wehorse-Online-Kurs hinweisen. Gemeinsam mit der Trainerin Laura Nettelbeck aus Schleswig-Holstein haben wir einen Kurs entwickelt, der sich an all diejenigen richtet, die sich mit Angst vor dem Ausreiten und Geländereiten plagen. Wir zeigen dir mit vielen Übungen, wie du das Selbstvertrauen wiederfindest und vertrauensvoll mit deinem Pferd für mehr Sicherheit im Gelände kommunizierst. Der Kurs heißt Angst überwinden, Ausreiten endlich genießen. Von und mit Laura Nettelbeck für alle wehorse Nutzer ab sofort live. Viel Spaß damit und nun mit dem Interview mit Mr. Jacques Toffi. Hallo Jacques.
[SPEAKER 1]Hallo Christian.
[SPEAKER 2]Schön, dass du da bist bei uns im Podcast. Ich freue mich sehr. Wir befinden uns hier in Hamburg-Flottbeck, sitzen gerade in einem Café und es ist unweit hier vom Hamburger Derbypark und vom Derbyplatz. Deiner fotografischen Heimat, könnte man sagen.
[SPEAKER 1]Das stimmt, seit den 70ern.
[SPEAKER 2]Das ist, wo du das erste Mal im Pferdebereich fotografiert hast, richtig?
[SPEAKER 1]Das erste Mal war das 1982, das bedeutet 2022, da war ich dann 40 Jahre beim Derby. Das erste Mal, als ich da war, durch meine Frau, die auch hier als Kind redet, im Flottbeck, in dem Verein, bin ich hingekommen und bei diesem Turnier 1982 hat auch Achaz von Buchwald gewonnen, damals mit Wendy und das habe ich nie vergessen. Ich war aber Amateurfotograf noch, das erste Mal.
[SPEAKER 2]Also du kamst damals mit deiner eigenen Kamera?
[SPEAKER 1]Ja, ja, habe ich von der Tribüne aus fotografiert. Es waren drei Fotografen, glaube ich, damals in der Bahn. Meistens Hamburger Amblatt-Fotografen oder Agenturfotograf und das war’s.
[SPEAKER 2]Und das war quasi die Initialzündung dann für deine Karriere als Fotograf?
[SPEAKER 1]Nein, das war nicht die Initialzündung, aber das war ein Thema von vielen, was mich damals interessiert hat. Nur als ich angefangen habe Pferdefotos zu machen, habe ich nicht gedacht, dass man von Fotos überhaupt leben kann. Ich habe nur gemacht und irgendwann habe ich gemerkt, dass jemand meine Bilder kaufen wollte. Und das war die Initialzündung. Da habe ich gedacht, Bilder kann man auch verkaufen, so ungefähr. Aber das war für mich keine Option damals, daraus einen Beruf zu machen. Das kam auf mich durch Zufall.
[SPEAKER 2]Was war dein eigentlicher Plan?
[SPEAKER 1]Mein eigentlicher Plan, meinen gelernten Beruf zu machen. Und das war Seefahrt, Nautik. Und darin wollte ich auch arbeiten. Aber fotografiert habe ich immer gerne, sehr gerne. Vor dem Studium, während des Studiums. Und irgendwann wurde das ein bisschen zu viel mit dem Hobby. Diese Passion ist mir über den Kopf gewachsen. Und wie ich gemerkt habe, dass man Bilder auch verkaufen kann, habe ich zugegriffen. Habe ich von Anfang an versucht, etwas mehr daraus zu machen. Dabei am Anfang wollte ich nicht nur Pferdesport fotografieren. Ich dachte, das ist eine langweilige Sache. Da habe ich auch einige andere Sachen gemacht, wie Fußball oder Bundesliga. Und unter anderem war ich dabei, wie der Hamburger HSV auch Deutscher Meister geworden ist. Das ist ja im vorigen Jahrhundert.
[SPEAKER 2]Das ist schon lange her.
[SPEAKER 1]Dann habe ich Rallye fotografiert, Bootsrennen und einiges mehr. Aber nach und nach wurde die Nachfrage aus dem Pferdesport immer größer. So dass mir sehr schnell keine Zeit übrig geblieben ist für andere Tätigkeiten. Dann habe ich immer mehr Pferdesport gemacht. Pferdesport. Dann habe ich gemerkt, ziemlich schnell, dass das Thema sehr vielfältig ist. Und dass es nicht so schnell langweilig wird, wie ich mir zuerst gedacht hatte. Die Vielfalt des Pferdesports, ob das Springen, Dressur, Vielseitigkeit, die olympischen Disziplinen. Und dann kommt das andere, die Zucht, das Fahren, Western, Polo. Was ich immer gerne auch fotografiert habe. Übrigens weltweit habe ich Polo fotografiert. Da habe ich gemerkt, als Fotograf kann man sich in diesem Pferdesport Mengen entfalten. Dach. Ein Dachbegriff für alles andere. Das ist ein Dachbegriff für alles und diese Vielfalt.
[SPEAKER 2]Ist diese Vielfalt auch das, was dich bis heute fasziniert an dem Pferdebereich?
[SPEAKER 1]Ja, das fasziniert mich. Aber wichtig ist für mich, dass das, was ich tue, auch gut ist. Also ich habe keine Lust auf Dressursport, wenn das nur Krücken gehen. Also wenn… Oder wenn… Ich mag gerne auch für Zügelklasse fotografieren, aber wenn die Darstellung sehr schön ist. Das Kind, das Pony, Vater oder Mutter, die Location. Wenn das schön ist und das Licht auch schön ist, dann mag ich das auch fotografieren. Also dadurch, dass ich kein Pferdemann bin, habe ich keine Vorurteile. Was ich nicht mag, ist, wenn ich etwas visuell nicht gut verarbeiten kann. Dann lasse ich die Finger davon. Also Fotogen muss das sein, gepaart natürlich mit Klasse und Qualität und Ästhetik.
[SPEAKER 2]Was macht für dich ein gutes Foto aus?
[SPEAKER 1]Die Frage wird sehr oft gestellt. Besonders auch von Workshop-Teilnehmern. Ich habe bisher jedes Jahr ein, zwei, dreimal Workshops gemacht. Und die wollen immer wissen, ist das ein gutes Foto, wann ist ein Foto gut und so. Das kann ich dir in der Wahrheit nicht richtig sagen. Was macht einen guten Wein aus? Oder eine gute Speise aus? Einfach gewisse Zutaten müssen schon da sein. Also die Qualität muss da sein. Das Mindeste ist die Schärfe und die gute Belichtung. Aber alles ist es ja auch nicht, wiederum. Dann kommt der Inhalt, das Thema, was abgebildet ist, das Licht. Es sind viele Faktoren wirklich am Ende. Und die Emotion, die ein Foto packt, ist sehr, sehr wichtig. Besonders für den Konsumenten dieser Fotografie. Für mich als Fotograf kann das von Bedeutung sein. Und dann zeigst du das jemandem und sagst, oh langweilig. Und dann merkst du plötzlich, du bist nicht der Standard aller Dinge, du bist nicht der Maßstab aller Dinge mit dem, was du selbst empfindest. Und über Geschmack lässt sich nicht streiten, bekanntlich. Aber über Qualität schon. Also ist das Bild nicht scharf, dann ist das eben nicht scharf. Das ist Qualität, Eigenschaft. Oder nicht gut belichtet, dann ist das eben überbelichtet oder unterbelichtet. Das sind Fragen der Qualität und darüber lässt sich nicht streiten.
[SPEAKER 2]Ist es am Ende aber auch das Gefühl, was ein Bild vermittelt? Dass man sagt, das ist wirklich ein Bild, was ich subjektiv dann schön finde?
[SPEAKER 1]Ich finde, das Foto in erster Linie hat eine Aufgabe. Einen bestimmten Moment des Lebens zu konservieren, festzuhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Alles ist vergänglich und das ist nie wiederholbar. Erstmal hältst du etwas damit fest. Das ist definitiv so. Eine Szenerie. Und wie diese Szenerie sein soll, das obliegt natürlich dem Fotografen. Was halte ich für wichtig? Ist das ein Moment, was ich denke, das muss die Welt festhalten oder nicht? Das ist so viel Philosophie in dieser Sache, dass wenn man damit anfängt, hört man nie mehr auf. Du kannst Musiker fragen, warum er musiziert oder warum ein Fotograf fotografiert. Warum musst du jetzt so ein Bild von dem… Warum musst du das fotografieren? Wie wirst du das alles erklären? Das ist alles so ein Gefühl drin. Es ist schwer darüber zu reden. Es ist nicht einfach. Ich beschäftige mich natürlich sehr viel mit diesen Sachen, aber das ist für mich, das ist mit mir selbst, diese Auseinandersetzung.
[SPEAKER 2]Und bist du dann auch ein Autodidakt, der sich das selber, auch diese ganzen technischen Dinge angeeignet hat? Weil du selber sagst, eigentlich kommst du eher aus der Seefahrt. Hast du dich dann selber da reingefressen?
[SPEAKER 1]Na gut, also ich habe gemalt als Kind schon sehr gut. Mein Bruder war ein sehr guter Maler, George. Und er hat mir einiges beigebracht und ich konnte sehr gut malen. Und irgendwann habe ich schon in der Schulzeit die erste Kamera bekommen und fing an, Momente festzuhalten. Ob das die Schulfreunde sind oder die Klassenreise oder wie auch immer. So fing das an. Und die Kamera dann, seitdem hat mich die Kamera nie wieder verlassen. Ich gehe auch nirgendwo hin. Mich interessiert gar nichts, wenn ich nicht fotografieren kann.
[SPEAKER 2]Also die Kamera ist eigentlich immer dabei.
[SPEAKER 1]Wenn das nicht fotografierwürdig ist.
[SPEAKER 2]Dann würdest du niemals hinfahren quasi zu einem Turnier beispielsweise?
[SPEAKER 1]Nein, das interessiert mich nicht. Was soll ich beim Derby nur gucken und klatschen und genießen, wie die Pferde ein nach dem anderen Wal runtergehen oder nicht. Nein, das würde mich nicht interessieren. Ich mache auch nie Urlaub. Ich besuche Freunde oder Familie, wenn ich Zeit habe. Aber ohne Kamera geht gar nichts.
[SPEAKER 2]Heutzutage sehen natürlich viele Menschen deinen Namen an vielen großen Porträts. Beispielsweise in vielen Zeitschriften bist du mit deinen Fotos vertreten. Aber ich glaube, was viele gar nicht wissen, ist, dass du, wie du ja selber schon gesagt hast, gar nicht aus der Pferdewelt ursprünglich kommst und vor allen Dingen sehr lange auch zur See gefahren bist.
[SPEAKER 1]Ja, in der Seefahrt war ich einige Jahre. Habe ich auch inklusive der Ausbildung, das Studium. Und das war für mich in diesem Alter nach dem Abitur, wie ich das gemacht habe und was ich gemacht habe, war ganz genau das Richtige. Das würde ich wiederholen, wenn ich konnte, wenn ich noch mal die Gelegenheit dazu hätte. Aber das ist leider nicht mehr machbar. Aber in diesem Alter, wenn du zwischen 18 und 30 bist, es gibt nichts Besseres als das. Besonders die Seefahrt von früher. Ich habe noch die Frachterzeit erlebt. Die Containerschifffahrt habe ich nicht mehr erlebt. Wollte ich ja auch nicht. Das war keine Schifffahrt mehr für uns.
[SPEAKER 2]Die Stückgutfrachter.
[SPEAKER 1]Ja, die Stückgutfrachter. Das ist das Richtige geworden. Das Schönste an der Seefahrtzeit bekanntlich ist die Hafenliegezeit.
[SPEAKER 2]Ja.
[SPEAKER 1]Da kannst du alles ausgeben, was du auf See verdient hast.
[SPEAKER 2]Ja.
[SPEAKER 1]Und das ist das Schönste an der Seefahrt. Die Containerschifffahrt und so, Hauruck und alles, wo die Häfen weit weg von den Städten sind. Das ist alles zu mechanisch geworden. Da ist keine Seefahrtsromantik. Die Seefahrtsromantik habe ich in den letzten Jahren noch mitbekommen und abgesprungen.
[SPEAKER 2]Du bist ursprünglich aus Syrien und bist dann quasi nach der Schule in die Seefahrt gegangen.
[SPEAKER 1]Ja, also ich wuchs auf am Mittelmeer, direkt am Mittelmeer. Die Begegnung mit internationalem Flair war immer da. Die Schiffe lagen vor der Haustür, so ungefähr. Das ist auch so eine Stadt, nicht so groß wie Hamburg, aber alles lebt fast vom Hafen und von der Schifffahrt. Und das ist die Verbindung. Allerdings, was man vielleicht zwischendurch sagen kann, ich komme zwar aus Syrien, aber meine Eltern sind griechisch. Sie waren früher Flüchtlinge und sie sind in Syrien gelandet. Das ist die Zeit des Ersten Weltkriegs, der Konflikt zwischen Armenien, Türkei und griechischen Menschen, die in der Türkei gelebt haben. Und so sind sie geflüchtet Richtung Syrien und Syrien hat uns aufgenommen. Also meine Eltern, direkt meine Eltern noch, haben in Cairns gelebt. Meine Mutter und mein Vater. In Syrien. Und wir haben Flüchtlinge aufgenommen, die aus der Türkei kamen.
[SPEAKER 2]Unglaublich aus heutiger Sicht.
[SPEAKER 1]Griechische, armenische und christliche.
[SPEAKER 2]Und gab es damals auch schon Kontakt zu Pferden oder war das damals gar nicht unvorstellbar?
[SPEAKER 1]Nein, gar nichts mit Pferden. Schifffahrt ja, aber keine Fische.
[SPEAKER 2]Und wie ist es dann Hamburg geworden? Weil das ist ja dann für dich auch ein einschneidender Moment gewesen.
[SPEAKER 1]Das ist eine gute Frage, Christian. Ich wollte nach dem Abitur raus. Weg. Raus und vielleicht die Welt sehen und erleben, was man als 18-Jähriger so für sich träumt. Aber meine Familie war dagegen, dass das nur einfach ein Raus ist. Das war so nach der Abiturprüfung, da war das Ergebnis noch nicht raus. Da war ich schon auf ein Schiff engagiert. Meine Familie kannte den Kapitän, einen griechischen Kapitän mit seinem eigenen Schiff. Und er fuhr auch in Mittelmeer rum, hat mich gleich mitgenommen. Da war mein Abitur noch nicht raus. Und als das Abiturergebnis rausgekommen war, lagen wir in Alexandria auf Rede. Das heißt, geankert in dem Hafen. Und das Ergebnis kam damals aus Latakia per Nachricht. Kein Handy und kein GPS und kein Telefon.
[SPEAKER 2]Per Telegramm quasi, oder wie?
[SPEAKER 1]Nicht mal Telegramm, sondern als Morse-Zeichen.
[SPEAKER 2]Als Morse-Zeichen?
[SPEAKER 1]Ja, Jack hat das geschafft. Er hat das Abitur geschafft. Und der Kapitän ruft mich von der Brücke runter zum Deck. Jack, du hast dein Abitur geschafft. Also ich wollte weg, raus. Aber für meine Familie war das nicht okay, nur so raus. Sie sagten, wenn du das machen willst, dann sollst du vielleicht das richtig machen. Dann haben wir gesucht nach Möglichkeiten. Und damals war die Entwicklung der deutschen Schifffahrt sehr positiv. Das sind, wenn man bedenkt, nicht viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg 1970, als ich nach Deutschland kam. Und die Schifffahrt war in so einem Aufschwung. Wir hatten in Deutschland, in Hamburg, nicht Hamburg, in Deutschland, in Norddeutschland, sieben Seefahrtschulen gehabt, die alle voll waren. Die Werften haben gebaut, ohne Ende. Man brauchte qualifizierte Arbeitskräfte ohne Ende. Und dann gab es diesen Weg praktisch durch, vermittelt durch deutsche Botschaften und durch die Auslandniederlassung der deutschen Industrie oder Wirtschaft, gab es diese Bekanntmachung, oder wie auch immer, dass hier qualifizierte Arbeitskräfte gebraucht werden. Und so hat die deutsche Regierung für uns den Weg freigemacht, dass wir hier kommen und uns ausbilden lassen. Das war also ungefähr wie heute mit Computern und Fachleuten. Und so kamen auch viele aus dem Ausland und ich war eines davon. Aber ich wollte nicht nur Schifffahrt lernen irgendwo, ich wollte ganz gerne in der besten Akademie der Welt lernen. Das war für uns Hamburg. Hamburg hat Weltruf. Die Schiffe, die aus Hamburg kamen, waren die schönsten in unserem Hafen, die besten, die neuesten, die bestorganisierten, die saubersten. Und Made in Germany kennt jedes Kind im Orient oder im Nahen Osten oder in der Welt. Und so hieß es, okay, du kommst nach Hamburg und du studierst hier. Und so kam ich nach Hamburg. Also das war kein Zufall oder so, von Anfang an Hamburg.
[SPEAKER 2]Von Anfang an klar quasi, da will ich hin.
[SPEAKER 1]Vielleicht gehört das hier dazu. Dazu kam auch, dass meine Lehrerin im Goethe-Institut in Berut eine Blondine war, die so hübsch aussah. Ich war 18, sie war vielleicht 35. Und ich fragte sie, nachdem ich drei Worte Deutsch gelernt habe, habe ich sie gefragt, wo sie herkommt. Sie sagte, Hamburg. Und das hat mich auch beeinflusst.
[SPEAKER 2]Das hat dich positiv beeinflusst.
[SPEAKER 1]Ich sage, wenn die Frauen aus Hamburg so aussehen, dann nichts wie nach Hamburg.
[SPEAKER 2]Aber dann bist du nach Hamburg geflogen und nicht mit dem Schiff.
[SPEAKER 1]Nein, wir haben dieselbe Route, wie die letzten Flüchtlinge.
[SPEAKER 2]Die Balkanroute?
[SPEAKER 1]Die Balkanroute genommen, allerdings ohne Flüchtling zu sein. Wir hatten Visum, dann sind wir mit dem Bus nach Istanbul, dann noch mal mit dem Zug zur bulgarischen Grenze, von Bulgarien nach Jugoslawien, nach Bulgarien.
[SPEAKER 2]Kleines Abenteuer.
[SPEAKER 1]Ja, und die Reise hat 17 Tage gedauert. Früher gab es, Christian, 1970 gab es nicht diese Flüge, wo man einfach buchen konnte für pauschale Reisen und so. Das waren alle Linienflüge, Lufthansa und so. Und so ein Flug hatte vielleicht damals 1000 Euro gekostet. Das war unbezahlbar für uns und für unsere Familien, solche Preise. Also mussten wir zu Fuß kommen nach Deutschland, mit Bahn und Bus und alles Mögliche. 17 oder 18 Tage oder mehr hat die Reise gebraucht.
[SPEAKER 2]Und damals Syrien war natürlich auch ein anderes Land als heute. Sehr westlich und sehr weltoffen auch.
[SPEAKER 1]Das Thema Syrien, westlich kann man es nicht sagen. Um sich das vielleicht vorstellen zu können, die Vielfalt in Syrien ist unbeschreiblich. Du musst dir vorstellen, ich bin Sohn griechischer Eltern, 100% griechisch, also nicht nur ein bisschen, sondern griechische Eltern, die auch im Kampf gelebt haben. Ich komme mit meinen sechs Geschwistern zur Welt in Syrien, in Latakia, in der Judengasse kommen wir zur Welt. Unsere Nachbarn waren Muslime, wir waren griechisch-orthodox, in der Judengasse zur Welt gekommen und waren meine Schuljahre in einer französischen Jesuitenschule, die praktisch 100 Meter entfernt war von der Judengasse. Das zeigt einfach diese Vielfalt im Orient, in diesem Gebiet. Das ist ja die Judengasse, die französische Schule, die orthodoxen, griechischen und muslimischen Schulen, die alles so eng zusammen. Und im Grunde war es friedlich, weil keine der Gruppen eine Bedrohung für eine andere oder für eine größere Gruppe war. Es war alles kleiner, feiner, ärmlicher, aber alle Menschen waren gleich. Alle Leute haben dasselbe verdient, jeden Monat, haben dieselben Kosten, jeden Monat. Es war eine friedliche Zeit, aber eine sehr, sehr gute Zeit. Ich habe die schönste Kindheit, glaube ich, überhaupt in Syrien erlebt.
[SPEAKER 2]Wenn du jetzt heute auf deine Fotografenzeit und Karriere zurückschaust, was waren so die Persönlichkeiten, die dich aus der Pferdewelt am meisten beeindruckt haben?
[SPEAKER 1]Ja, also was mich interessiert, ist nicht die Mechanik. Der Pferdesport kann hässlich mechanisch sein. Also nicht der starke Trab hat mich interessiert und nicht der 1,55 Ochser oder was weiß ich. Das ist weniger. Was mich interessiert, sind die Menschen, die das betreiben und wie sie das machen. Und das weckt in mir so ein Interesse, etwas mehr kennenzulernen, so wie es bei dir vielleicht der Fall ist. Und das hat mir, nach zehn Jahren Fotografie im Pferdesport, habe ich diese Ausstellung gemacht. Der Rendezvous hieß diese Ausstellung, weil ich wollte ganz gerne mit diesen Menschen etwas mehr zu tun haben, als nur sie zu erleben auf dem Turnierplatz von beiden. Ob das jetzt unter anderem dein Vater ist, Hans Heinrich Isenbarth oder Graf Landsberg oder Peter Luther oder Winkler und so weiter. Ich wollte mal mehr hören von denen, so wie du das heute machst. Und für mich war der Schlüssel die Fotografie. Und netterweise hat mich kaum jemand abgewiesen. Alle waren freundlich und haben mich empfangen, den ganzen Tag manchmal, inklusive Essen und einige Male auch viel trinken. Und das war immer sympathisch und gut. Ich will sagen, also dieser Pferdesport, das ist nicht nur eine Ausstellung, dieser Pferdesport, das ist nicht nur eine mechanische Tätigkeit. Da gibt es Menschen, die im Hintergrund denken, nachdenken, planen, philosophieren und so. Und die sind sehr wertvoll. Und ich sage immer, das ist der Grund, warum der deutsche Pferdesport so erfolgreich ist. Dass in selten einer anderen Nation, gut, ich meine, vielleicht die Holländer machen das ähnlich oder die Franzosen oder so, aber diese Kapazitäten, diese Ansammlung von Kapazitäten um das Pferd und den Reiter herum, die gibt es, die ist einmalig in der Welt. Und das macht den Erfolg der Deutschen aus. Ich wurde sehr oft gefragt im Ausland, in der arabischen Welt, ob das Katar ist oder Emirate oder Kairo oder Damaskus. Die wollen von mir wissen, warum die Deutschen so erfolgreich sind. Warum? Und ich muss denen aufklären über Sachen, die sie natürlich nicht immer verstanden haben. Erstmal, wie gesagt, sie arbeiten. Also so ein Reiter wie Ludger oder Paul oder Isabelle oder Monika und viele, alle, die wir kennen und weniger kennen, die arbeiten unheimlich hart. Und dann diese Kompetenz um diese einzelnen Leistungen. Ich meine, denk mal darüber nach, wenn, ich sage gerne den Namen Ludger oder Frank Slotak, wenn sie in Aachen im großen Preis im Parkour einreiten, im Stadion, da gucken nicht nur ihr Sponsor zu, der Züchter des Pferdes guckt zu, der Sattler guckt zu, der Stiefelmacher guckt zu, der Hufschmied guckt zu und denken alle diese, sei es Trainer oder Besitzer oder Grum sowieso, Pferdepfleger, alle gucken zu und alle denken in dieser Zeit ganz intensiv daran, was sie noch besser machen können. Dazu kommt natürlich der perfekte Ritt von Ludger, Markus, Frank und Otto.
[SPEAKER 2]Ludger Werow, Markus Ening, Otto Becker.
[SPEAKER 1]Dazu kommt das. Das ist der Punkt auf dem E. Dieser Unterbau, das darf nie vergessen werden. Das ist der Grund des Erfolgs. Wenn du siehst heute auf kleinsten Reitschulen, wo Ponys und kleine Pferde noch geritten werden, mit welcher Präzision, mit welcher Ernsthaftigkeit eine Reitlehrerin diese Kinder unterrichtet, von klein auf, die sind fünf und sechs und sieben Jahre alt, mit welcher Ernsthaftigkeit diese Kinder unterrichtet werden, mit welcher Gewissenheit, also dieses Gewissen, das Lernen, das Übertragen vom Wissen, das getrieben wird. Das ist natürlich wiederum sehr deutsch, aber das sind die Gründe für den Erfolg.
[SPEAKER 2]Und ist es auch genau das, was du gerne mit deinen Fotos einfängst? Also diese Leidenschaft, diese Präzision und auch diese Details?
[SPEAKER 1]Ich habe natürlich in Deutschland nicht alles gelernt, aber vieles gelernt. Und weil ich ein Bewunderer von diesen Tugenden bin, von Anfang an, diese Tugenden wie Gewissenhaft, Ehrlichkeit, Qualität und Fleisch und so, habe ich versucht, das in meinem Beruf aufzunehmen. Wie ich das gemacht habe, war relativ deutsch, sodass meine deutsche Frau mich manchmal beschämt hat, Katharina, und sagte, du bist schlimmer als die Deutschen. Ich betreibe das am Ende doch lockerer als meine Kollegen. Das sieht so aus, als ob ich das überhaupt nicht tue, aber das ist nicht die Wahrheit. Nur dieses Tun und dieses Machen, das sieht bei mir anders aus.
[SPEAKER 2]Nun hast du ja mit allen großen Persönlichkeiten der Pferdewelt zusammengearbeitet. Gab es auch witzige Situationen oder Dinge, die dann mal gar nicht liefen, wo man in der Retrospektive sagt, das war schon eine witzige Situation?
[SPEAKER 1]Ich habe wunderbare Situationen gehabt. George Theodoros is Rumäne, der ist auch orthodox wie ich. Griechenland, Rumäne, das ist nah beieinander. Ziemlich bisantisch alles, aber ich bin in Syrien aufgewachsen. Er war etwas in Rumänien, bevor er sich hier niedergelassen hat. Wir haben uns manchmal über die Küche gestritten. Also unsere Küche sollte besser sein als seine, und er wollte das nie wahrhaben. Ich war sehr oft bei ihm auf dem Hof. Die ersten Erfolgsjahre von Monika, seine Tochter, die wäre auch wirklich eine super Fotografin geworden, die Monika einmal zwischendurch so gesagt hat. Sie hat so ein gutes Auge, Monika. Und wenn ich wirklich wissen will, ob ein Foto gut gelungen ist oder nicht, muss Monika sagen, ja, das ist ein gutes Foto. Das weiß man auch von ihr nicht. Sie hat ein sehr gutes Auge und eine Art zu beschreiben, die es nicht noch einmal gibt. So präzise, direkt und kurz, verdammt kurz. Das ist Monika, die jetzt in diesen Sekunden oder Minuten in Tokio landet.
[SPEAKER 2]Genau, als Dressur-Nationaltrainerin.
[SPEAKER 1]Ohne mich. Aber so ist das. Wo waren wir stehen geblieben? Am Ende haben wir so viel gegessen. Ich kam dorthin, um mit ihm diesen Fototermin zu machen. Ich wollte ihn fotografieren, persönlich. Schwarz-weiß, analog, mit Haseblatt. Da habe ich Licht, Hintergründe, alles. Aber das hat wirklich verdammt sehr lange gedauert, bis wir angefangen haben zu fotografieren. Zwischendurch gegessen, etwas fotografiert, getrunken. Ich glaube, wir waren besoffen am Ende. Und wenn man die Fotos sieht, die wir gemacht haben, konnte man das ein bisschen ahnen, dass wir etwas abwesend waren. Das war mit George, Teodorescu, war immer besonders.
[SPEAKER 2]Da können ja auch besondere Freundschaften daraus entstehen.
[SPEAKER 1]Das ist schon so. Das war besonders.
[SPEAKER 2]Lieber Jacques, im WeHouse Podcast haben wir auch die sogenannten vier klassischen WeHouse-Fragen, die jeder Podcast-Gast von mir gestellt bekommt. Die kommen jetzt auch für dich. Und Frage Nummer eins, die ich an dich habe, ist, hast du ein Motto, nach dem du lebst?
[SPEAKER 1]Gut sein.
[SPEAKER 2]Gut sein. Kurz und gut.
[SPEAKER 1]Ich mag es nicht, wenn die Vorstellung, der Beste zu sein, oder so. Möchte ich ja auch nicht. Ich möchte einer der Besten sein. Das ist in Ordnung. Das reicht mir.
[SPEAKER 2]Dann Frage Nummer zwei. Gibt es einen Menschen, der dich vielleicht auch im Hinblick auf die Pferde besonders geprägt hat?
[SPEAKER 1]Ja, vielleicht meine Frau, Katharina. Sie war der Grund, warum ich hier gelandet bin, wo ich heute bin.
[SPEAKER 2]Dass du quasi in Hamburg geblieben bist.
[SPEAKER 1]In Hamburg geblieben bin, dass ich zum Derby auch mit ihr gegangen bin, oder zum Polo, oder nach Schönefeld, zur Vielsattigkeit. Sonst wäre ich nie auf die Idee gekommen, das zu machen. Und sie hat mich auch unterstützt, sehr unterstützt, dabei Fotograf zu werden. Vollzeitfotograf.
[SPEAKER 2]Dann Frage Nummer drei. Wenn du Reitern bzw. Pferdemenschen eine Sache im Umgang mit ihren Pferden auf den Weg geben könntest, was wäre es?
[SPEAKER 1]Fairness natürlich. Ruhe. Ruhe und Zeit. Zeit. Viele Menschen haben heute keine Zeit. Sie haben nur Dollar in den Augen. Wie sagt man? Dollarnoten?
[SPEAKER 2]Dollar in den Augen.
[SPEAKER 1]Und sie wollen das Geschäft machen. Das Geschäft. Immer das Geschäft. Es geht nicht nur um das Geschäft.
[SPEAKER 2]Und dann vervollständige bitte noch diesen Satz. Pferde sind für mich.
[SPEAKER 1]Wunderbare Lebewesen. Ängstlich. Dumm. Aber für die Welt unverzichtbar. Besonders für die Geschichte dieser Erde, dieser Welt, waren sie unverzichtbare Begleiter. Weggefährtenbegleiter.
[SPEAKER 2]Lieber Jacques, es hat sehr viel Spaß gemacht, deine Sicht auf die Welt zu hören und auch deine Geschichte, wie du zu dem geworden bist, was du heute bist, als großartiger Fotograf und Persönlichkeit der Szene. Vielen lieben Dank. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Und schön, dass du da warst im wehorse Podcast.
[SPEAKER 1]Danke, Christian. Gerne.
[SPEAKER 2]Das war der Podcast mit Jacques. Schön, dass du dabei warst. Wir würden uns mega freuen, wenn du uns abonnierst oder uns eine 5-Sterne-Bewertung dalässt, zum Beispiel in der Apple Podcast App. Danke dir und bis bald.