#125 Janne-Friederike Meyer-Zimmermann über Gleichberechtigung im Reitsport
Janne-Friederike Meyer-Zimmermann gründete vor kurzem die Initiative #EqualEquest. Diese Initiative setzt sich für mehr Chancengerechtheit im Reitsport ein, da es besonders für Frauen im Spitzensport nachteilige Regeln gibt.
Mit Host Christian Kröber spricht sie darüber, was sich ändern muss und wie sie selbst nach ihrer Babypause den Wiedereinstieg in den Sport gemeistert hat.
Podcast Transkript
Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.
[SPEAKER 1]Herzlich willkommen zum wehorse Podcast. Mein Name ist wie immer Christian Kröber und heute zu Gast Springreiterin Janne-Friederike Meyer-Zimmermann, die vor wenigen Wochen eine Initiative namens Equal Equest gegründet hat, die sich für mehr Chancengerechtigkeit im Reitsport einsetzt, das insbesondere für Frauen einige wirklich nachteilige Regeln gibt, die nun hoffentlich auch dank der Initiative sehr schnell unter Druck geraten. Ich selber supporte das Ganze auch und wir sprechen über eben jene Chancengerechtigkeit, was konkret sich ändern muss und wie Janne ganz persönlich auch nach ihrer Babypause so schnell den Weg wieder in den Spitzensport gefunden hat. Vorweg darf ich für alle Wii-House-Nutzer noch auf unser neuestes Angebot hinweisen, denn die Live-Events, die Online-Events, die wir nun auf unserer Plattform anbieten, werden weiter ausgebaut. Am kommenden Mittwoch gibt es das Thema Verladetraining mit der Expertin Michaela Kölbl, den genauen Link dazu Wo ihr euch anmelden könnt, packen wir in die Shownotes. Und für alle diejenigen, die WeHorse noch nicht nutzen, es gibt dank unserer 7-tägigen Testphase die Möglichkeit, kostenlos reinzuschnuppern. Das Ganze natürlich unter www.wehorse.com. Also, los geht’s mit Janne. Hallo Janne. Hi. Schön, dass du da bist. Wir wollen heute sprechen über eine Initiative, die du vor wenigen Wochen ins Leben gerufen hast, nämlich Equal Equest. Es geht um Chancengleichheit im Reitsport. Eine Initiative, wo du mit einigen Co-Initiatoren das Ganze ins Leben gerufen hast. Ich selber bin auch Supporter davon. Worum geht es eigentlich bei Equal Equest?
[SPEAKER 2]Ja, meine Co-Initiatoren sind Friederike Barg, Josefine Oehmen und Cornelia Polletto. Und tatsächlich, so wie du schon gesagt hast, geht es um Chancengleichheit und Gleichberechtigung im Spitzensport. Explizit hat es mich jetzt im Springreiten betroffen, aber im Prinzip soll es disziplinübergreifend sein. Also wir wollen eine Regeländerung erstreben und das hat jetzt gar nicht was unbedingt mit meinem persönlichen Fall zu tun, sondern ganz generell.
[SPEAKER 1]Was ist denn der konkrete Missstand? Wie ist das Ganze jetzt hochgekommen? Vor allem, wenn man von außen drauf schaut, und da haben mich auch einige Leute darauf angesprochen, sagt man ja immer, der Reitsport ist eigentlich ein sehr inklusiver Sport, beziehungsweise ein Sport mit Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, eine der wenigen olympischen Disziplinen, wo auch Mann und Frau beide antreten dürfen. Was ist genau das Problem und die Herausforderung?
[SPEAKER 2]Ja, das stimmt. Das ist auch was, was mich an unserem Sport unheimlich begeistert und fasziniert. Und vor meiner Schwangerschaft habe ich tatsächlich über das Thema auch nie nachgedacht. Ich habe mich immer als total gleichberechtigt gesehen und finde gerade faszinierend, dass man als Frau eben keinerlei Nachteil hat beim Reiten, sondern dass es eben um die Partnerschaft mit Pferd und Reiter geht. Aber während meiner Schwangerschaft ist mir dann aufgefallen, dass es natürlich schwierig ist, während der Schwangerschaftspause die Weltranglistenpunkte zu verteidigen. Die, die man sich eben im Vorjahr erarbeitet hat. Und für Meredith Michaels-Behrbaum wurde schon mal eine Regel erfunden, in Anführungsstrichen, oder ins Leben gerufen. die besagt, dass wenn man eine Schwangerschaftspause macht, die gleichgesetzt wurde mit einer Krankheit, die theoretisch ja auch Männer haben können, also mit einer Verletzungspause, dann kann man beantragen, dass man 50 Prozent der im Vorjahr errittenen Punkte behält. Also sie nicht verteidigen muss, sie nicht verliert, sondern sie behält. Jetzt kommt aber das Problem an der Sache. Es ist eine Mindestpause von sechs Monaten erforderlich. Und bisher ist das nicht so aufgefallen. Vielleicht auch, weil früher gar nicht so viele Turniere Woche für Woche waren. Mittlerweile ist es ja aber so, dass man jedes Wochenende auf einem Fünf-Sterne-Turnier unterwegs sein kann und dementsprechend auch ein Problem hat, wenn man nicht relativ schnell wieder zurückkommt ins Sport und eben seine Punkte verteidigen kann. Und bei mir war es jetzt so, dass ich nach fünfeinhalb Monaten wieder anfangen wollte.
[SPEAKER 1]Nach der Geburt deines oder eures Sohnes Friedrich?
[SPEAKER 2]Genau, noch nicht mal nach der Geburt, sondern nach der Geburt waren es tatsächlich nur sechs Wochen. Wobei man dazu sagen muss, ich wollte ja nicht direkt im Spitzensport einsteigen, sondern ich wollte
[SPEAKER 1]Erst mal Turnier reiten.
[SPEAKER 2]Genau, erst mal Turnier reiten. Einfach mit meinem Pferd wieder ein bisschen in kleinen Prüfungen, 1,20, 1,30, also auf wirklich leichtem Niveau zusammenfinden, um wieder ein bisschen Routine zu bekommen. Und hab das eben für mich in Oliva geplant. Das hängt ja auch damit zusammen, wann Ist die Geburt meines Kindes, ist es im Winter, ist es im Sommer? Das sind ja auch Dinge, die man im Vorfeld nur sehr bedingt beeinflussen kann. Und bei mir war es eben so, dass mein Sohn Ende Januar zur Welt gekommen ist und ich dann natürlich ein bisschen schon mit einem Auge auf die kommende Saison, auf Hamburg, auf Aachen, vielleicht sogar schon mit einem noch bestehenden Traum auf die Weltmeisterschaft in Herning geblickt habe und mir für mich vorgenommen habe, in Oliva in Spanien ein bisschen vor der Außensaison in Deutschland klein anzufangen.
[SPEAKER 1]Hört sich ja erstmal nach einem guten Plan an.
[SPEAKER 2]Genau, so ist der Plan und ich glaube da muss man auch, das können sicherlich Frauen, die schon mal ein Kind bekommen haben nachvollziehen, das eine ist der Plan, das andere ist das, was dann möglich ist.
[SPEAKER 1]Ist die Realität.
[SPEAKER 2]Auch, glaube ich, jeder Frau selbst überlassen, wie war die Geburt, wie fühlt man sich, kommt man schnell wieder zurück in seinen Beruf oder merkt man, nee, ich brauche jetzt erstmal viel Zeit und Pause und beides ist total wertneutral, gleichermaßen in Ordnung. Aber ich hatte tatsächlich das große Glück, dass ich nach der Geburt wieder schnell einen Sattel zurückgefunden habe, was mir auch wichtig war.
[SPEAKER 1]Was heißt schnell eigentlich? Nach wie vielen Tagen warst du wieder am Sattel?
[SPEAKER 2]Ja, ich bin wirklich aktiv geritten, was ich jetzt Reiten nenne, auch erst nach drei Wochen wieder.
[SPEAKER 1]Ist glaube ich auch so die empfohlene Karenzzeit.
[SPEAKER 2]Ja, erstmal hat man ja Wochenbett und bei mir war es tatsächlich auch so, dass ich natürlich alles mit meiner Frauenärztin abgesprochen habe. Eine Trainerin, die sich extra darauf spezialisiert hat, für Sportlerinnen Rückbildung zu machen und eben auch darauf geachtet hat, dass man nicht zu früh zu viel macht. Aber ich habe dann gemerkt, dass ich wirklich schnell wieder fit geworden bin und auch unheimlich Freude daran hatte, wieder zurück aufs Pferd zu kommen. Und wollte dann eben guten Mutes in Oliva nennen und hab dann von der FEI dahingehend eine Absage bekommen, dass sie sagten, ja aber deine Sperre in Anführungsstrichen ist noch nicht komplett vollzogen. Du hast diese sechs Monate.
[SPEAKER 1]Die gilt quasi noch, die Sperre.
[SPEAKER 2]Genau, die hast du noch nicht hinter dir, das heißt du kannst noch nicht wieder anfangen. So und dann hab ich kurz überlegt, was heißt das jetzt eigentlich für mich? Das heißt, dass ich nicht reiten darf oder was bedeutet das? Und das bedeutete nicht, dass ich nicht reiten darf, es bedeutet aber, dass wenn ich vor Ablauf dieser sechsmonatigen Pause anfange zu reiten, also Turnier zu reiten, dass mir die bis dahin gesicherten Weltranglistenpunkte komplett aberkannt werden. Das war nämlich dann auch so ein bisschen die Frage, was soll das sein? Ist das Mutterschutz? Also schützen wir hier Mütter davor, zu früh wieder anzufangen? Nein, das ist leider kein Mutterschutz. Ganz im Gegenteil, weil es geht nicht darum, dass man nicht reiten darf, sondern es geht Darum, die Regel besagt, dass wenn ich früher anfange, dass mir die Punkte wieder aberkannt werden. Was für mich zur Folge hätte, dass ich eher noch mehr reiten muss.
[SPEAKER 1]Um wieder da hinzukommen.
[SPEAKER 2]Genau, eher mehr Druck habe, um wieder da hinzukommen, wo ich aufgehört habe. Um jetzt mal so ein Beispiel zu nennen, also ich war auf Weltranglistenplatz Nummer 107, als ich aufgehört habe zu reiten. Und war dann mit den 50% gesicherten Punkten auf 177 und durch das frühzeitige Wiederanfang bin ich auf 270 gerutscht.
[SPEAKER 1]Weil quasi genullt wurde, du hast dann keine Weltrangwissen Punkte gehabt. Genau.
[SPEAKER 2]Und da kann man jetzt natürlich sagen, die Weltrangliste, was ist das? Ist das für dein Ego oder wofür brauchst du das überhaupt? Nein, das könnte einem im Grundsatz her noch egal sein, aber bei uns im Sport ist es halt so, dass die Weltrangliste die Startgenehmigung vergibt bzw. die Startgenehmigung Erfolgen anhat der Weltrangliste. Die Top 30 der Weltrangliste können auf jedem Turnier der Welt reiten und danach wird eben nachgerückt. Und wenn ich zu den Top 100 gehöre, dann kann ich davon ausgehen, dass ich auf den meisten Top Turnieren der Welt eingeladen und staatberechtigt bin. Wenn ich aber auf Platz 270 bin, dann ist es nicht so. So war für mich zunächst mal die Situation, dass ich unsicher war, auf welche Turniere ich jetzt überhaupt fahren kann, um mich wieder hochzuarbeiten. Da muss man sagen, habe ich unheimlich viel Unterstützung von unserem Bundestrainer Otto Becker bekommen, der innerhalb von Deutschland als Bundestrainer auch Athleten nominieren kann, unabhängig von ihrem Weltranglistenplatz.
[SPEAKER 1]Quasi auf Losung des Bundestrainers, der sagt einfach unabhängig davon, wie gut du in der Vergangenheit warst, ich glaube an dich, du kommst jetzt mit. Genau, genau.
[SPEAKER 2]Und das ist natürlich ein Privileg gewesen. Das ist aber auch ein Privileg, was für mich als Deutsche in Deutschland startende Reiterin nur war. Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich komme aus einem anderen Land und dieses Land hat vielleicht nicht so viele Top-Turniere im eigenen Land, weil der Springsport dort nicht ganz so populär ist, dann hätte ich diese Möglichkeit nicht gehabt. Also als konkretes Beispiel. Im Ausland wäre ich nicht startberechtigt gewesen, sondern das war jetzt eben im Inland über die Plätze vom Bundestrainer.
[SPEAKER 1]Weil im Ausland hätte man ja gesagt, okay, liebe Janne, du bist nicht in den Top 100 der Weltrangliste und vielleicht kennen wir dich gar nicht, du darfst hier nicht starten.
[SPEAKER 2]Ja, genau. Ob man nun bekannt ist oder nicht, spielt im Prinzip keine Rolle. Es ist auch gut, es ist ein nachvollziehbares System. Man kann gucken, an welcher Stelle bin ich, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich in das Turnier reinkomme. Und vielleicht wäre ich auch in das ein oder andere kleine Turnier reingekommen. Aber da ist auch wieder das Problem, je niedriger das Turnier im Ranking ist, desto weniger Punkte bekommst du auch. Zwei Sterne CSI, da ist es leichter reinzukommen, aber du kriegst auch deutlich weniger Punkte, wenn du im großen Preis platziert bist, als wenn wir jetzt auf einem Viersterne CSI sind. So, das ist alles vom Grundsatz her, wenn man in dem Thema nicht so drin ist, gar nicht so leicht nachzuvollziehen. Aber wenn man es mit ein bisschen Abstand betrachtet, bedeutet es, dass man durch diese Regelung einen erschwerten Wiedereinstieg in den Sport und in den Beruf hat. Und wir wünschen uns eben mehr Flexibilität. Wir wünschen uns, dass jede Frau selber entscheiden kann, wann sie nach der Geburt ihres Kindes fit genug ist, um wieder anzufangen. Und dass man nicht mit einem Punkteabzug durch einen frühzeitigen Wiedereinstieg bestraft wird.
[SPEAKER 1]Und es wird ja fast wie eine Krankheit auch bestraft. Das hast du ja glaube ich in einigen Interviews auch gesagt, dass quasi diese halbjährige Sperre oder die mehrmonatige Sperre fast wie eine Krankheit dargestellt wird, obwohl es ja eigentlich etwas ist, wo du selber entscheiden kannst, wann du wieder einsteigst und es eben nicht so sein sollte, dass es stigmatisiert wird.
[SPEAKER 2]Ja genau, ich glaube man kann eine Schwangerschaft wirklich nicht mit einer Krankheit leichtsetzen. Vielleicht ist dieser damalige Gedanke auch gar nicht so böse gemeint, wie er vielleicht unglücklich gemacht ist, das muss man jetzt auch mal sagen. kommt am Ende dann sehr negativ rüber. Und es ist in der Wirkung für mich oder für andere Reiterinnen auch sehr unglücklich. Aber ich glaube, es ist einfach nur nicht zu Ende gedacht. Und wenn man jetzt bei einer Krankheit von einer Mindestzeit redet, dann hat es vielleicht noch Sinn und Zweck. Aber bei einer Schwangerschaft sollte man das vielleicht der Frau selber überlassen. Und auch andersrum. Es kann auch sein, dass eine Geburt nicht so gut verläuft und dass man einfach mehr Zeit braucht und vielleicht nach elf Monaten erst wieder Turnier reitet. Das ist ja völlig in Ordnung. Aber es muss flexibel sein und es muss so sein, dass es jede Frau selber entscheiden darf.
[SPEAKER 1]Was ist jetzt passiert? Was ist seitdem Equal Equest quasi aus der Taufe gehoben wurde? passiert. Ich glaube, es gibt Kontakt mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung dazu und auch die Möglichkeit, auf die FEI, den Weltreiterverband, Druck auszuüben. Was sind jetzt die Dinge, die geplant sind?
[SPEAKER 2]Ja, tatsächlich war so am Anfang überhaupt erstmal Aufklärung angesagt und da haben wir ja tatsächlich viel Unterstützung in den Medien gehabt, was uns unheimlich gefreut hat. In diesem Zusammenhang auch danke dir, also viel Unterstützung, viel Interesse, einfach erstmal zu verstehen, wo ist das Problem. Und jetzt ist es so, dass die FN uns auch dahingehend unterstützt, dass sie sagt, okay, wir sind bereit, so einen Antrag zu stellen. Antrag auf Regeländerung, auf Anpassung. Man muss ja auch dazu sagen, wir wollen das Rad nicht neu erfinden. Es ist eine relativ kleine Änderung, die aber für schwangere Frauen eine große Änderung, einen großen Schritt bedeuten würde. Und da haben wir Unterstützung. Das wird auf jeden Fall bei der FEI auf den Tisch kommen. Und dann muss am Ende abgestimmt werden. Also das Ergebnis in Anführungsstrichen ist noch offen. Aber wir haben erstmal viel Gehör bekommen, viel Unterstützung bekommen und ja, hoffen drauf, dass wir am Ende wirklich auch diese Regeländerung bewirken können.
[SPEAKER 1]Nun bist du ja eigentlich gar nicht mehr so betroffen, denn du bist jetzt wieder eingestiegen und es hat ja mehr als gut geklappt. Du hast gerade mit der deutschen Equipe den Nationenpreis in Aachen gewonnen und wir nehmen jetzt an einem Montag auf und es geht am Sonntag live. Du bist auch potenziell eine der Kandidatinnen für Herning, also für die Weltmeisterschaften im Springreiten fürs deutsche Team. Also für dich hat es ja jetzt sehr gut funktioniert, dieser Wiedereinstieg. Jetzt könnte man ja sagen, okay, was interessiert dich noch, das ganze Thema. Aber du möchtest, dass der Druck auch weiter groß bleibt, denn zum Beispiel Jessica von Bredow-Werndl, deine Dressurkollegin, der blüht ja dasselbe Schicksal. Also du lässt das Thema jetzt nicht an dir vorbeiziehen, sondern es ist etwas, was dich wirklich beschäftigt.
[SPEAKER 2]Ja, also für mich ist es tatsächlich eine grundsätzliche Sache. Meine Punkte sind weg und die habe ich mir jetzt mit einer bisher sehr erfolgreichen Saison im Prinzip schon fast wieder erritten. Aber das hat auch gar nichts mit mir zu tun, sondern mir ist Durch die Schwangerschaft, und ich bin extrem glückliche Mutter eines gesunden Kindes, ist mir dieses Thema überhaupt erst bewusst geworden. Und ich würde es eigentlich gerne für die nächste Generation verändern. Und wenn wir eine Chance haben, dass Jessie schon von der Regeländerung profitiert, wäre es natürlich grandios. Ich meine, sie als amtierende Olympiasiegerin wird auch überall startberechtigt sein, weil sich jeder wahrscheinlich freut, wenn sie startet. Aber es geht einfach ums Prinzip. Sie ist derzeit sicherlich die beste Dressurreiterin der Welt und die erfolgreichste. Und auch bei ihr wäre es schade, wenn sie ihre Weltranglistenpunkte verliert, bloß weil sie früher wieder anfängt. Und es betrifft ja so viel mehr Leute. Sie ist natürlich ein prominentes Beispiel. Aber ich glaube, wenn man so ein bisschen über den Tellerrand hinausguckt, dann geht es eigentlich so um dieses Thema. Traue ich mich, im Spitzensport ein Kind zu kriegen? die Sorgen, die man so hat. Habe ich die Chance danach wieder erfolgreich einzusteigen? Was sagen meine Pferdebesitzer dazu? Was sagen meine Sponsoren dazu?
[SPEAKER 1]Hängen Existenzen auch dran zum Teil.
[SPEAKER 2]Genau und es gibt wirklich viele Sorgen, die man sich im Vorfeld macht, die ich mir auch gemacht habe und am Ende hat sich manches ganz toll aufgelöst, also im positiven Sinne. Viele Pferdebesitzer haben gesagt, ach toll, wir freuen uns mit dir und dann starten wir nächstes Jahr wieder durch. Und das ist natürlich sensationell, wenn man so einen Support und so einen Rückenwind bekommt. Aber dann ist es eben auch wichtig, dann auch wieder durchstarten zu können und wieder auf die Großturniere fahren zu dürfen. Und dementsprechend ist es schon wichtig, dass man auch auf Basis des alten Weltranglistenplatzes dann eben wieder Startgenehmigungen bekommt, gerade wenn man nicht die Möglichkeit hat, über den Bundestrainer zu bekommen, was bei mir ja der Fall war. Aber das wird nicht bei jedem so sein.
[SPEAKER 1]Hättest du denn gedacht, dass dieses Thema, du hast dich ja vorher nicht damit beschäftigt und wir haben eben ja schon im Vorfeld auch darüber gesprochen, wie es eigentlich rausgekommen ist. Es ist ja durch einen Zufall rausgekommen. Es ist ja gar nicht so, dass das allen transparent war, dass das die Regel ist, sondern eigentlich dadurch, dass du dich in Anführungsstrichen abgemeldet hast bei der FI, ist es erst rausgekommen. Hättest du denn gedacht, im Vorfeld gedacht, dass das überhaupt ein Thema werden könnte? Ich wusste es im Vorfeld beispielsweise auch nicht und ich war überrascht, dass das nicht besser und moderner geregelt ist. Ich meine, wir sprechen vom Jahr 2022 in einem Sport, wo mindestens 50 Prozent aller Spitzenreiter weiblich sind und dass es durch so einen Zufall auch rauskommt.
[SPEAKER 2]Ja, das stimmt. Ich glaube, tatsächlich, manche Dinge fallen einem erst auf, wenn sie einen selber betreffen. Das muss ich auch ehrlicherweise zugeben. Ich kann mich noch daran erinnern, als Meredith nach ihrer Schwangerschaftspause zurückgekommen ist und wahnsinnig erfolgreich war und wir im selben Jahr Mannschaftsweltmeister geworden sind. 2010. Genau, 2010 in Kentucky und ich damals natürlich sowieso als großer Bewunderer von Meredith, rein reiterlich, aber auch natürlich sehr beeindruckt war, wie schnell sie wieder Fuß gefasst hat. Das ist ja auch etwas, was einen Mut macht und genauso möchte ich auch jetzt wieder anderen Mut machen. Und der Sport von damals zu dem Sport von jetzt hat sich natürlich nochmal weiterentwickelt. Es gibt mehr Turniere, es gibt immer mehr Reiter und Pferde, die auf dem Spitzenniveau bestehen können. Das heißt, in der Masse ist einfach eine unheimlich große Konkurrenz da. Und ich glaube, da ist es umso wichtiger, dass man eben auch Frauen, die ein Kind bekommen, die Chance gibt, wieder in den Sport zurückzufinden und da Steine aus dem Weg räumt, statt sie hinzuschmeißen.
[SPEAKER 1]Wie ist die Regelung auf nationaler Basis?
[SPEAKER 2]Auf nationaler Basis ist sie gleich, aber da hat man natürlich nicht das Problem, dass man keine Startgenehmigung bekommt. Du würdest zwar auch im Ranking runtersinken, aber da ist es nicht so.
[SPEAKER 1]Das ist nicht so relevant.
[SPEAKER 2]Genau, es ist nicht so relevant, weil du trotzdem starten darfst.
[SPEAKER 1]Das hängt mehr an der Leistungsklasse auch. Richtig, richtig.
[SPEAKER 2]Also da ist es natürlich trotzdem so, wenn du jetzt zum Beispiel Sponsorenverträge an deinem Ranking geknüpft hast, dann ist es da auch unglücklich, aber du wirst trotzdem Startgenehmigungen bekommen. Wir denken aber, dass es gut wäre, wenn man es komplett einheitlich haben würde. Nationale und internationale Regeln.
[SPEAKER 1]Also überall. eine komplette Entfernung dieser Sperre, dass man selber entscheiden kann, dass die Frau selber entscheiden kann, wann sie zurückkommt in den Sport.
[SPEAKER 2]Ja, genau. Man muss ja auch sagen, ein bisschen Realismus muss man ja auch haben. Natürlich braucht man ein bisschen Zeit nach seiner Geburt, aber jeder muss auch selber für sich entscheiden, Wie fühle ich mich, wie lange reite ich? Ich zum Beispiel, nachdem ich kein Turnier mehr geritten bin, habe dann auch zu Hause zeitnah aufgehört zu reiten. Also ich habe relativ früh gar nicht mehr geritten, weil ich irgendwie gemerkt habe, dass sich mein Körper so verändert, dass ich mich Wenn ich dann meine tollen Bereiter angeguckt habe, dann habe ich gedacht, die reiten im Prinzip besser als ich, weil ich nicht mehr so die Körperspannung hatte. Wenn ich aber jetzt Videos von Jessie Bredow-Werndl sehe, die, ja…
[SPEAKER 1]Topfit, die immer noch unterwegs ist.
[SPEAKER 2]Ja genau, relativ hochschwanger, aber topfit auf dem Pferd aussieht und sich wohlfühlt und die Pferde hervorragend unter ihr gehen, dann denke ich, ja auch das ist wirklich von Frau zu Frau unterschiedlich und da reden wir eben von Selbstbestimmung und Flexibilität.
[SPEAKER 1]Gibt es denn jetzt außerhalb der Initiative und dieser Geschichte, dass es am Ende ja auch um eine sporttechnische Frage geht. Wie ist denn deine Erfahrung bisher mit dem Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft? Wir haben ja jetzt über die guten Seiten gesprochen. Also du bist unglaublich gut wieder reingekommen. Nationenpreis in Aachen sicherlich eines der Höhepunkte. Wie ist denn dieser Wiedereinstieg für dich eigentlich ganz persönlich auch verlaufen? Also hast du damit gestruggelt oder lief das alles total einfach? Ist natürlich sehr individuell, aber Da ist ja auch viel Management dahinter, sowas machen zu können. Also wir sitzen jetzt gerade hier, ihr könnt das natürlich im Podcast jetzt nicht sehen, ihr habt in wenigen Wochen hier ein großes Turnier. Wir sitzen in einem sehr schönen, rätgedeckten Haus am Rande eures Springplatzes. Hier ist die Kinderwiese mit einem Holsteiner-Wappen direkt neben mir. Da ist ja, das ist ja auch, wir reden jetzt ja über diesen Idealfall, ja? Aber da steckt ja auch sehr, sehr viel dahinter, dass es überhaupt so weit kommen kann. Das stimmt.
[SPEAKER 2]Man muss sagen, hier geht auch ein großer Dank an mein Team, ohne das so nicht möglich gewesen wäre. Also, allein während meiner Pause wurden meine Pferde alle top weiter trainiert. Und je nachdem, wie alt das Pferd war, meine älteren Pferde, die haben Springpause gemacht sozusagen, was ja auch gut ist, die sind weit genug ausgebildet gewesen. Und dann haben wir gesagt, okay, die gehen nur dressurmäßig und gehen in den Wald.
[SPEAKER 1]Zum Beispiel Messi, Nationenpreis Pferd aus Aachen, der hatte Springpause.
[SPEAKER 2]Der hatte Springpause. Also die haben mal zwei, drei kleine Cavalettis gemacht, aber der hatte Springpause, weil er ja in seiner Ausbildung schon relativ weit war. Während wir jetzt bei sechs- und siebenjährigen Pferden, die noch im Aufbau sind, gesagt haben, nee, die gehen auch weiter Turnier. Und das haben ja unsere Bereiter hervorragend gemacht, das ganze Team. hat mich enorm unterstützt und auch jetzt nach der Geburt von Friedrich ist schon viel Flexibilität erforderlich. Also es ist nicht selten so gewesen, dass ich gesagt habe, okay, dann und dann reiten wir das Pferd und dann habe ich eine WhatsApp geschrieben, ach nee, ich komme später, ich fütter gerade noch Friedrich oder sowas. Also da haben wir hier wirklich im Moment Ja, ein sehr kinderfreundliches Team. Das sind Dinge, da habe ich mir früher auch keine Gedanken drüber gemacht, aber wir ziehen alle an einem Strang und ich habe enorm viel Support. Und das ist schon eine neue Situation, auf die man sich einstellen muss.
[SPEAKER 1]Aber jetzt ganz konkret, das ist Nationenpreis und der ist jetzt auch nicht gerade um 15 Uhr nachmittags und ich weiß es ja selber, wir haben gerade auch Nachwuchs bekommen und da ist ja 20 Uhr, da schläft ja der kleine Friedrich eigentlich normalerweise und der wird ja vielleicht auch noch gestillt. Binst du dann zwischen ersten und zweiten Umlauf, wird dann schnell gestillt, springst du von Messi runter und dann rein in die Katakomben, also wie geht das?
[SPEAKER 2]Ja tatsächlich, also ich hab die ersten zwei Monate gestillt, jetzt still ich nicht mehr, jetzt ist es daher ein bisschen einfacher geworden.
[SPEAKER 1]Okay, das macht die Dinge sehr viel einfacher, ne?
[SPEAKER 2]Ja, also das ist jetzt einfacher geworden. Es war sowieso so, dass ich auch, als ich noch gestillt hab, auch ein bisschen mit der Flasche zufüttern musste, weil ich nicht ganz genug Milch hatte. Und das haben wir dann so nach und nach umgestellt. Irgendwann hat er die Flasche dann auch lieber genommen, weil es irgendwie fast einfacher war. Aber ja, auch dann ist es nicht ganz einfach und das Kind schläft natürlich auch leider nicht immer genau zur selben Zeit und ich hab da viel Support von meinem Mann und jetzt am Beispiel von Aachen, da war es tatsächlich so, dass meine Eltern mitgereist sind und sich mit ihm in eine ruhige Ecke gesetzt haben.
[SPEAKER 1]Oma und Opa.
[SPEAKER 2]Genau, Oma und Opa und nicht die mega lautstarke, super tolle Kulisse in Aachen miterleben.
[SPEAKER 1]Die saßen nicht mit auf der Tribüne.
[SPEAKER 2]Meine Mama hat gesagt, das ist zu laut für Friedrich. Das geht so nicht und hat sich in eine ruhige Ecke gesetzt. Da muss man natürlich auch seine Prioritäten setzen und sagen, was ist für das Kind wichtig und dementsprechend bestimmte Situationen anpassen. Aber aktuell ist es für mich so, dass die Hauptpriorität mit großem Abstand natürlich Friedrich ist. Aber die Zeit, die ich auf dem Pferd verbringe, das ist so meine Me-Time. Und ja, das ist so. Und da weiß ich Friedrich dann in Top Händen eben. Also ja, meistens bei meinem Mann Christoph, aber manchmal eben auch bei Oma und Opa oder bei einem meiner Mitarbeiter. Und da konzentriere ich mich dann tatsächlich komplett aufs Pferd.
[SPEAKER 1]Und man weiß es auch anders zu schätzen dadurch. Die MeTime, oder?
[SPEAKER 2]Ja, die MeTime, das stimmt. Jetzt lache ich drüber, aber es ist tatsächlich so, dass man glaube ich gerade so am Anfang das Gefühl richtig aufsaugt und sagt so, jetzt konzentriere ich mich voll aufs Reiten und freue mich auf den Moment.
[SPEAKER 1]Hat es dich vielleicht sogar noch ein bisschen besser gemacht?
[SPEAKER 2]Ich weiß nicht, ob es mich besser gemacht hat, aber ich bin froh, wenn es mich nicht schlechter gemacht hat.
[SPEAKER 1]Das hat es, glaube ich, nachweislich nicht.
[SPEAKER 2]Nein, genau. Das weiß ich nicht, aber ich genieße die Zeit im Sattel sehr und bin froh, dass ich die Chance habe, mit Messi ein Pferd zu haben, was auch für Deutschland an den Start gehen kann und darf. Ich habe ihn mir seit fünf Jahren ausgebildet. Wir sind zwar vielleicht auf Spitzenniveau noch ein relativ junges Paar, aber wir kennen uns in- und auswendig. Ich habe ihn schon ganz lange im Stall und kann ihm zu 100 Prozent vertrauen und weiß genau, wie er ist, was für ihn wichtig ist und worauf ich achten muss. Dementsprechend sind wir schon ein relativ eingespieltes Team.
[SPEAKER 1]Und ein klarer Plan.
[SPEAKER 2]Ein klarer Plan, ja.
[SPEAKER 1]Sehr gut. Wir drücken dir die Daumen auf jeden Fall, potenziell hinsichtlich der Weltmeisterschaften in Herning.
[SPEAKER 2]Danke, das wäre natürlich ein großer Traum, der wahr werden würde.
[SPEAKER 1]Und alle Infos zu Equal Request packen wir in die Shownotes, es gibt auch einen Instagram-Kanal. Ja. Und dann hoffen wir, dass wir den Missstand bald erledigen.
[SPEAKER 2]Das würde mich sehr freuen, vielen Dank.
[SPEAKER 1]Also, danke Janne. Schön, dass du dabei warst. Dieser Podcast wurde produziert von Mara Landwehr, vorbereitet von Josefine Lindner. Und falls der Podcast dir gefallen hat, bewerte uns gerne auf Trustpilot, Spotify, Apple Podcast und überall dort, wo man sonst noch bewerten kann. Wir sehen uns hier wieder in zwei Wochen zum nächsten wehorse-Podcast. Ciao, ciao.