Wieso ist es so wichtig, die Rückenmuskulatur von unserem Pferd gezielt zu trainieren und zu stärken?
Wetten, diese beiden Ziele sind auch Deine? Erstens: Über den Rücken soll das Pferd gehen. Zweitens: Der Rücken soll schön bemuskelt sein. Genau das sind zwei Ziele von so vielen Reitern. Nur was formt eigentlich genau die Muskulatur des Pferderückens? Ein spannendes Thema, doch Achtung, es gibt da einiges zu beachten, ich verrate hier schon mal so viel: Wenn Du Dir ein gesundes, tragfähiges Reitpferd wünschst, solltest Du nicht nur an die Rückenmuskeln denken.
Rückenmuskulatur vom Pferd aufbauen – nur wie?
Ich habe dieser Tage ein neu erschienenes Buch in die Finger bekommen, das ganz hervorragend erklärt, welche Muskeln das Pferd einsetzt, um Reiter tragen zu können und zugleich dabei gesund zu bleiben. Es heißt „Einmal überbaut, immer überbaut?“ und erklärt den Pferdekörper sehr praxisnah. Welche Muskulatur das Pferd braucht, um uns zu tragen, ist eigentlich genau die zentrale Frage für Reiter. Denn nur passend bemuskelt trägt uns der Pferdekörper unbeschadet.
Der Trapezmuskel – er ist ziemlich überschätzt
Doch welche Muskeln des Pferderückens kennen Reiter? Wetten, die Hälfte denkt zuerst an den Trapezmuskel? Nicht falsch, aber völlig überschätzt.
In diesem Buch steht zum Beispiel auch, dass der Trapezmuskel ein flächiger, dünner Muskel ist. Doch er ist auch beim hervorragend trainierten Pferd nicht viel breiter im Querschnitt, als ein bis zwei Finger. Der Trapezmuskel ist ein dünner, flächiger Muskel, der direkt unter dem Hautmuskel des Pferdes liegt. Er verläuft im ersten Stück vom Hals kommend seitlich zum Schulterblatt und reicht mit seinem zweiten Teil von dem Schulterblatt bis zu den Brustwirbeldornfortsätzen.
Die Schulterfreiheit des Pferdes hat ihre Grenzen
Damit nimmt der Trapezmuskel des Pferdes mehrere Handbreit der Sattellagenfläche ein und es ist folglich schlicht Unsinn, einen Sattel zu suchen, der diesen Muskel nicht berührt. Seine Aufgabe ist es übrigens, das Schulterblatt fein zu justieren und auch mit zu führen.
Rückenmuskulatur falsch trainiert?: Welche Muskeln sich wann zurückbilden
Es ist es auch nicht vor allem der Trapezmuskel, der bei unpassenden Sätteln atrophiert! Er ist natürlich auch beteiligt, jedoch sind andere Muskelgruppen in der Masse viel stärker beteiligt. Welche das sind, ist allerdings ein kleines bisschen komplizierter, als einfach zu sagen „Der Trapez!“. Die Rückenmuskulatur vom Pferd beinhaltet nämlich viele lange und kurze Muskeln, die die Wirbelsäule stabilisieren sollen und den Pferderücken tragfähig machen. Also, es sind davon betroffen: Anteile vom Latissimus, dem breiten Rückenmuskel, dem Serratus Dorsalis, dem Spinalis, das ist der Dornfortsatzmuskel der zum Beispiel auch den Widerrist prägt und Anteile vom Longissimus Dorsi und dem Iliocostalis in der untersten Muskelschicht– es sind einige Muskeln, die unter dem Trapezmuskel verlaufen! Bisschen verwirrend, oder? Also, ganz langsam: Beginnen wir mit dem langen Rückenmuskel.
Der lange Rückenmuskel – m. longissimus dorsi
Der Longissimus Dorsi ist der längste Muskel im Körper des Pferdes. Er reicht vom Atlasflügel hinter dem Kopf bis zu den Darmbeinflügeln an der Kruppe, er ist auch in der Illustration hier auf der Seite zu sehen. Dabei verläuft ein Muskelstrang links und einer rechts von der Wirbelsäule. Damit bildet er einen wesentlichen Teil der Rückenmuskulatur von deinem Pferd.
Aufgrund seiner Länge wird der lange Rückenmuskel in einen Kopf-, einen Hals- und einen Brustteil untergliedert. Der Kopfteil reicht vom 1. Halswirbel, dem Atlas, bis zum 7. Halswirbel bzw. dem ersten Brustwirbel. Spannen beide Muskelstränge an, kann das Pferd so seinen Kopf heben. Spannt der Muskel nur auf einer Seite an, dann biegt das Pferd seinen Hals und nimmt den Kopf damit nach links oder rechts. Der Halsteil spannt sich vom 3. Halswirbel bis zum 5.-8. Brustwirbel. Mit ihm kann das Pferd die Vorhand anheben sowie die Wirbelsäule strecken und feststellen. Dabei wird er vom Brustteil unterstützt, der von den einzelnen Dornfortsätzen seitlich an die Rippen zieht.
Diese Muskeln müssen beim Reitpferd daneben noch besonders beachtet werden
Zwei Muskeln, die Reiter gern befühlen und begutachten, aber häufig nicht benennen können, sind der Musculus Spinalis und der Musculus Serratus. Je kräftiger diese ausgebildet sind, desto kräftiger erscheint der Widerrist. Wenn Reiter feststellen, dass die Region, in die der knöcherne Teil des Widerrists eingebettet ist, an Muskelmasse gewonnen hat, dann waren diese beiden Muskeln im Spiel. Der Musculus Spinalis verläuft auf der Wirbelsäule beidseits seitlich der langen Dornfortsätze und gehört zu den tiefen Muskelschichten des Pferdes.
Merken: Musculus Serratus Ventralis
Der Musculus Serratus Ventralis ist ein riesengroßer Muskel, der an der ersten bis neunten Rippe sowie vom dritten bis siebten Halswirbel entspringt und von dort aus jeweils an die Innenseite des Schulterblattes zieht, dort ist er im oberen Bereich befestigt. Er hat damit einen Hals- und einen Rumpfteil. Der Musculus Serratus Ventralis ist der wichtigste Rumpfträgermuskel, das bedeutet, dass er die Verbindung zwischen Schulter und Rumpf schafft. Das Pferd hat nämlich, und das ist eine Besonderheit, ein frei tragendes Schulterblatt, das ausschließlich mit Muskeln befestigt ist und nicht durch ein Schlüsselbein – wie bei uns Menschen zum Beispiel – gehalten wird. Es gibt beim Pferd also keine knöcherne Verbindung zwischen den vorderen Gliedmaßen und dem Rumpf.
Gegen Trageerschöpfung
Genau deshalb ist es ganz wichtig für Reitpferde, dass diese Muskeln gut auftrainiert werden. Ist das nicht der Fall, dann besteht die Gefahr, dass Reitpferde den Rumpf nicht gut tragen können, vorhandlastig laufen und irgendwann von der „Trageerschöpfung“ gesprochen wird. Das möchte wohl jeder Reiter vermeiden. Nicht nur der Trapezmuskel ist also relevant!
Wie sieht eine gute Rückenmuskulatur beim Pferd aus?
Einen gut bemuskelten Pferderücken kannst du daran erkennen, dass die Rückenmuskulatur so gut ausgeprägt ist, dass du weder die Dorn- noch die Querfortsätze der Wirbelsäule sehen kannst. Außerdem sollten keine Kuhlen oder “Löcher” in der Muskulatur sichtbar sein, das bedeutet auch, dass die Schulterblätter des Pferdes nicht hervorstechen sollten.
Wichtig: Wenn du bereits die Querfortsätze der Wirbelsäule bei deinem Pferd sehen kannst, dann sprich am besten einmal mit dem Tierarzt bzw. der Tierärztin deines Vertrauens und lasse dein Pferd einmal durchchecken. Denn in diesem Fall ist die Rückenmuskulatur von deinem Pferd nur extrem gering ausgeprägt. Im Übrigen gilt auch bei Rückenproblemen lieber früher als später einen Tierarzt-Termin vereinbaren. Ein weggedrückter Rücken ist immer ein Alarmzeichen. Kommen dann noch Verhärtungen in der Muskulatur und steifer Gang bis hin zu Lahmheiten hinzu, solltest du auf jeden Fall handeln. Unter Umständen kann dann die Kombi aus Tierarzt/-ärztin und Pferdeosteopath/-osteopathin sinnvoll sein.
Tipp: Beim Putzen kannst du täglich prüfen, ob die Rückenmuskulatur von deinem Pferd empfindlich ist. Nimm dir dafür einfach 1-2 Minuten Zeit, streiche über die Rückenlinie und fühle, ob du Verhärtungen oder auch Temperaturunterschiede findest. Verhärtungen weisen auf Verspannungen hin, warme Stellen auf Entzündungen und kalte Stellen auf eine verminderte Durchblutung. Beim Putzen selbst solltest du auf die Reaktionen von deinem Pferd achten: zieht es den Rücken weg oder dreht es sich um, können auch das Anzeichen für Rückenschmerzen sein.
Wie kann ich die Rückenmuskulatur von meinem Pferd stärken?
Wenn du die Rückenmuskulatur von deinem Pferd stärken möchtest, dann kann dir zunächst die Arbeit am Boden ganz viel weiterhelfen. Von Bodenarbeit über Handarbeit bis hin zum Longieren ist alles möglich und geeignet. Der große Vorteil ist hier: Dein Pferd kann erstmal ohne Reitergewicht lernen, die Bewegungen korrekt auszuführen. Dann hast du es später beim Reiten deutlich leichter.
Wichtig ist, dass du dir bewusst machst, dass nur eine starke Rückenmuskulatur beim Pferd noch keinen tragfähigen Rücken macht. Wenn du die Rückenmuskulatur stärken möchtest, dann musst du auch an die Bauchmuskulatur von deinem Pferd denken. Die Bauchmuskulatur stützt den Pferderücken und verhindert, dass er durchhängt.
Die Arbeit an der Hand
An der Hand kannst du den Rücken mithilfe von Abkauübungen und Seitwärtsgängen lösen. Bei den Abkauübungen löst du nämlich nicht nur Kiefergelenk und Genick, sondern beeinflusst den gesamten Pferdekörper. Für den Muskelaufbau ist das wichtig, da nur ein lockerer und elastischer Muskel auch in der Lage ist zu arbeiten und zu wachsen.
Außerdem kannst du deinem Pferd ganz in Ruhe die verschiedenen Seitengänge erklären. Dein Pferd lernt seine Beine zu koordinieren, verbessert sein Körpergefühl und nebenbei bereitest du dein Pferd auf die Arbeit unterm Sattel vor. Das Kreuzen der Vorder- und Hinterbeine löst Schulter- und Kruppenmuskulatur und stärkt die diagonalen Bauchmuskeln. In der Folge kann dein Pferd den Widerrist besser anheben und die Hinterbeine können weiter unter den Schwerpunkt schwingen.
Hinweis: Achte darauf, dass du gerade bei der Handarbeit nicht zu viel Versammlung von deinem Pferd forderst. Versammelnde Arbeit ist ein echter Kraftakt für dein Pferd und kann es, insbesondere wenn die Rückenmuskulatur noch schwach ist, schnell überfordern.
Seitwärts und gebogene Linien in Kombination
Die Seitengänge kannst du dann unterm Sattel auch mit gebogenen Linien kombinieren, um den Effekt zu verstärken. Durch die Biegung aktivierst du besonders die jeweils inneren Bauchmuskeln. Diese können dann die Hinterbeine weiter unter den Schwerpunkt ziehen und somit den Rücken aufwölben. Auch damit kannst du die Rückenmuskulatur von deinem Pferd stärken. Bei der Gestaltung deiner Reitlinien kannst du also kreativ werden und immer wieder gebogene Linien mit Seitengängen kombinieren. Volten und Zirkel sind dafür z.B. sehr gut geeignet. Mehr Ideen findest du ansonsten auch noch in unserem Artikel zu den unterschiedlichen Hufschlagfiguren.
Hinweis: Auch bei der Arbeit unterm Sattel ist es wichtig, dass du die Versammlung nur so weit und so lange forderst, wie dein Pferd sie halten kann. Andernfalls überforderst du die Rückenmuskulatur von deinem Pferd und wirst sie eher schwächen statt stärken. Spätestens wenn du merkst, dass der Pferderücken unter dir wegbricht, ist es Zeit dein Pferd in die Dehnungshaltung zu entlassen. Damit dehnst du die Oberlinie deines Pferdes auf und die Bauchmuskulatur wird so gestärkt, dass sie den Rücken besser stützen kann.
Stangen- und Cavalettiarbeit
Daneben kannst du die Rückenmuskulatur deines Pferdes auch mit Stangen- und Cavalettiarbeit aufbauen. Dein Pferd muss seine Beine hier deutlich mehr anheben. Das aktiviert Bauch-, Vorhand- und Hinterhand-Muskulatur, diese unterstützen dann wiederum die Rückenmuskeln. Außerdem wölbt dein Pferd über den Stangen und beim Hüpfer über die Cavaletti erneut die Rückenlinie auf und kräftigt so die Rückenmuskulatur.
Wichtig ist nur, dass du dein Training hier systematisch aufbaust, um einer Überforderung vorzubeugen. Beginne also mit einer Stange und im Schritt. Dann steigerst du zuerst die Anzahl der Stangen und erst im zweiten Schritt das Tempo. Wenn die Stangenarbeit gut klappt, kannst du Cavaletti hinzunehmen. Auch hier gilt, beginne zunächst mit weniger und in einer niedrigen Gangart. Dein Endziel können dann z.B. vier Cavaletti als In-Outs auf gebogener Linie sein. Bevor es allerdings auf gebogene Linien geht, sollten die In-Outs auf gerader Linie gut funktionieren.
Wenn du jetzt noch mehr Tipps und Inspirationen für den Muskelaufbau von deinem Pferd haben möchtest, schau unbedingt in diesen Artikel rein. Dort versorgen wir dich mit allen wichtigen Infos zum richtigen Training und zur optimalen Fütterung!