Paul Steckens Vermächtnis

Nahaufnahme von Paul Stecken.
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Die Reiterwelt hat lange darauf gewartet, dass Paul Stecken seine Lehre aufschreibt. Dieser Wunsch blieb lange unerfüllt. Doch im Jahr 2015 erscheint im FN-Verlag doch noch ein Schriftstück des Meisters. Es sind 40 Seiten, Notizen, die mehr sind als eine Reitlehre: Es ist eine scharfe Kritik an der Entwicklung des Reitsports, es ist ein Erinnerungsbuch und er erzählt von der korrekten Jungpferdearbeit. Ein Wissensschatz, ein Vermächtnis.

Ingrid Klimke mit ihrem Mentor Paul Stecken.
Paul Stecken war lange Zeit Mentor von Ingrid Klinke.

Major a.D. Paul Stecken war 30 Jahre lang Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule und der Mentor von Ingrid Klimke. Er fühlte sich der H.Dv. 12/37 (der Heeresdienstvorschrift, die die Grundlage der Reitlehre in Deutschland darstellt) verpflichtet. Die drei Elemente seiner Schrift, Erinnerungen, Jungpferdearbeit und Kritik an der Entwicklung des Reitsports, machen das Heft zu etwas Besonderem. Schließlich hat Paul Stecken die Entwicklung des Pferdes vom Last- und Kavallerietier bis zum Reitpferd miterlebt und die deutsche Reitszene zu seiner Zeit stark geprägt.

Kritik an der Entwicklung des Reitsports

Insbesondere rückte Paul Stecken die vermehrt auffallende enge Halshaltung im Spitzensport in den Mittelpunkt:

„Bei nachhaltig engem Hals und fehlerhafter Oberhalslinie gab es bis ca. 2000 in der Regel für die betreffende Lektion Note 5 oder 6 mit der Bemerkung am Rand: eng oder deutlich eng.“

Diese Beurteilung sei kaum mehr zu finden, und Paul Stecken suchte nach Ursachen.

„Der zur Zeit oft etwas stramme und auch kürzere Zügel ist Mitursache, dass seit ca. 20 bis 25 Jahren enge Hälse und deshalb kaum „relative Aufrichtung“ erreicht wird. Die Verbesserung der Pferde im Hals und im Genick hat keine „Andere Reitweise“, z.B. in der Anlehnung, erforderlich gemacht, wohl aber die Zügelhilfen innerhalb der Halben Paraden für richtige Anlehnung erschwert.“

Er sah diese Entwicklung auch im Zusammenhang mit der Verbesserung des Exterieurs der Pferde. Stecken bemerkte, dass durch die leichteren Genicke der heutigen Pferde das Zusammenwirken der Reiterhilfen weitaus gefühlvoller sein müsse. Ist das nicht der Fall, dann trage dies auch zu einer zu engen Halshaltung bei. Er stellte fest, dass die Reitsportler durch inkorrekte Bilder in Reitsport-Medien daran gewöhnt seien, zu eng gehende Pferde zu sehen. Folge: es wird oftmals nicht als problematisch wahrgenommen.

Paul Steckens Thesen sind nicht nur analytisch, sondern auch extrem deutlich. Er kritisierte die LDR (Long-Deep-round-Trainingsmethode) und erklärte, dass sie kaum von einer Rollkurmethodik zu unterscheiden ist. Er kritisierte, dass der Weltreiterverband FEI durch die Verwendung dieser unterschiedlichen Begriffe zunehmend zur Verunsicherung darüber beigetragen habe, welche Reitweise als korrekt angesehen wird. Darüber hinaus setzte er sich mit dem Thema Schlaufzügel auseinander.

Paul Stecken: Richtigstellungen

Ein Kapitel seines Buches beschäftigt sich mit der Korrektur von Begriffen, die in der heutigen Fachsprache Usus sind, jedoch laut Paul Stecken nicht korrekt sind, und nicht die überlieferten Grundsätze ersetzen sollten. Positive Spannung sei zum Beispiel keine reiterliche Fachsprache bzw. nicht als positiver Begriff zu nutzen, genauso wie Grundschwung.

Paul Stecken mit Ingrid Klimke beim Dressurreiten.
Paul Stecken und Ingrid Klimke beim Training.

Ein anderes Beispiel: Feines Reiten. Auch ein Begriff, den er durch das überlieferte „gefühlvolles Zusammenwirken der Hilfen“ ersetzte. Er erklärte dies wie folgt:

„Feines Reiten“, ein neuer Begriff , der nicht besonders aussagekräftig erläutert werden kann. Gemeint ist wohl: auf richtig gerittenem Pferd im korrekten Sitz (Oberkörper – Schenkel – besonders Hände) gefühlvolles Zusammenwirken der Hilfen zu zeigen.“

Bemerkungen-und-Zusammenhänge
Paul Steckens Werk „Bemerkungen und Zusammenhänge – Erkenntnisse eines Pferdemannes“

In unseren Online-Kursen der alten Reitmeister hast du die Möglichkeit, unter anderem von Paul Stecken zu lernen und zu erfahren, wie er gemeinsam mit Ingrid Klimke seine Theorien in die Praxis umsetzt. Die Unterrichtsstunden decken dabei nicht nur Grundlagen ab, sondern beinhalten auch anspruchsvolle S-Lektionen.

Erinnerungen und Jungpferdearbeit von Paul Stecken

Sehr wertvoll sind die persönlichen Erinnerungen Paul Steckens. Er erzählte vom Transport der Trakehner Remonten im Jahr 1934/35 und berichtete, wie genau die Jungpferdearbeit von statten ging. Paul Stecken erläuterte die Arbeit mit Führpferden, die ruhige und vertrauensvolle Ausbildung – mit Futterlob, damals der Haferschwinge.

Bei der Ausbildung standen Wohlbefinden und Gesundheit der jungen Pferde stets an oberster Stelle.“

Schwerpunkte von Paul Stecken, beispielsweise das Reiten des Mittelschrittes zu Beginn einer Trainingseinheit, finden sich in Ingrid Klimkes Lehre wieder. So wird deutlich, wo die Wurzeln von Ingrid Klimkes Arbeit liegen, und wie Wissen tradiert wird.

Ein weiteres Kapitel von Paul Steckens Schrift beschäftigt sich mit einem Vergleich der korrekten Anlehnung und der noch fehlerhaften. Er erklärt an Ingrid Klimke exemplarisch, wie sich die Anlehnung verbessern lässt.

Münster und Fortunat

Wer die Westfälische Reit- und Fahrschule besucht, entdeckt eine Stallgasse namens Fortunat. Die Geschichte dieses Pferdes erzählte Paul Stecken in seiner Schrift. Sie ist ein Beispiel für die Veränderung der Bedeutung der Pferde im Laufe der vergangenen 100 Jahre. Fortunat war ein Arbeitspferd und zog bis er neun Jahre alt war einen Milchwagen. Zunächst lief er Rennen, wurde daraufhin ein Dressurpferd und ging bis M. Mit Reiner Klimke wurde Fortunat deutscher Militarymeister. Anschließend war er bis in seine 20er ein Schulpferd in Münster. Er starb mit 36 Jahren. Eine hippologische Tellerwäscherkarriere. Trotz Spitzensport erreichte Fortunat ein beachtliches Alter. Paul Stecken begründete das mit der guten Ausbildung nach den ursprünglichen Leitlinien der Reitlehre.

Paul Steckens Werk bietet einen Überblick der Bedeutung des Pferdes im Laufe der letzten Jahrzehnte. Es beschreibt die Modernisierung der Pferdezucht und zieht Parallelen, was dies für Ausbildung auf Pferde und Ausrüstungsgegenstände hatte. Sein Werk enthält nicht nur historische Anekdoten, sondern auch praktische Trainingstipps. Beispielsweise wird dir die korrekte Führung des Ellbogens und der Reiterhand erklärt. Eine absolute Empfehlung unsererseits.

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