1500 Zuschauer, Konzentration auf den Ausbildungsprozess, lockere Pferde und einige Überaschungen: So war es auf dem ersten Ingrid Klimke Symposium in Münster. Wir haben für unsere Zuschauer und Leser fotografiert, notiert und gefilmt. Ein Einblick.
Knackig kalt draußen, innen jeder Sitzplatz besetzt: so startete das erste Symposium, das Ingrid Klimke am vergangenen Wochenende veranstaltete. Die Bande in der Halle war in ihren Farben rot-orange mit Tüchern abgedeckt. Der Westfalenbrand, ein großes W, hing oben von der Hallenmitte herab. Passend zum Westfälischen Pferdezentrum in Münster, dem Kör- und Auktionsplatz im Westen Deutschlands.
„Gute Pferde werden gemacht“, diesen Wahlspruch ihrer Mentoren, ihres Vaters und Paul Stecken, zitierte Ingrid Klimke zu Beginn der Veranstaltung. Wie man das denn macht, das wolle sie zeigen, erklärte sie. Und so war vom dreijährigen Jungpferd namens Firlefranz bis zum Dressurpferd auf Grand-Prix-Niveau jede Ausbildungsstufe vertreten. Alleine ihre erfolgreichsten Buschpferde, Bobby und Escada, fehlten im Programm. Die beiden sind noch in ihrer Winterpause, dürfen mit dickem Fell die kalte Jahreszeit als Urlaub nutzen und werden erst im März wieder öffentlich zu sehen sein. So war das Programm verhältnismäßig dressurlastig. Was bei Ingrid Klimke natürlich bedeutet, dass viele Cavaletti eingebaut werden.
Den Anfang machten Geraldine und Firlefanz. Die Stute Geraldine ist aktuell für das Finale des Nürnberger Burgpokals zum Saisonabschluss qualifiziert. Meint: Ihre Ausbildung ist in Richtung Grand-Prix-Reife so gut wie abgeschlossen. Auf diesem jungen, aber ausbildungstechnisch reifen Pferd ritt Carmen Thiemann, die Stallmanagerin von Ingrid Klimke. Sie selbst saß auf dem Jungpferd Firlefranz (von Franziskus). Ziel der beiden: Das Symposium mit einer Lösungsphase beginnen.
Lange Schritt reiten, und dann zeigen, dass die Lösungsphase für Pferde solch unterschiedlichen Ausbildungsstandes eigentlich gleich abläuft. Geraldine suchte von Beginn an das vorwärts-abwärts, fächerte die Widerristregion wie im Lehrbuch auf, der Schweif pendelte locker.
Wallach Firlefranz war allerdings mächtig beeindruckt von der Kulisse: 1500 Zuschauer füllten die Halle, die Bande war rot-orange geschmückt, besonders irritierend fand der junge Hengst unseren pferdia-tv-Chef Thomas Vogel, der hinter der Kamera stand. Denn das komplette Symposium ist auch als Film in hier zu sehen sein. Ingrid Klimke erklärte, wie sie den Hengst nun an der irritierenden Kamera vorbei reiten wolle. Er lief hinter Führpferd Geraldine her, doch sprang auf Höhe der Kamera weg in die Mitte. Beim zweiten oder dritten Mal sagte sie: „Also nein, das müssen wir jetzt mal klären! “ Sie wendete ab und übte ohne das Führpferd immer wieder, dass Firlefranz unbeeindruckt vor der Kamera stehen sollte, dann wieder angehen, und zwar auf dem ersten Hufschlag, und wieder stehen. „Deine halbe Parade muss wichtiger sein als jeder äußere Einfluss“, diesen Spruch Paul Steckens erwähnte sie und zeigte auch gleich die Umsetzung. Konsequent, sowie freundlich zum Pferd und fair.
Es folgten Sequenzen, die Ausbildungsschritte der Klasse A und L zeigten. Ein Höhepunkt war sicherlich der Auftritt Soma Bays, die mit Greta Busacker den Weg von Klasse L zu M zeigte. Greta Busacker ist die Tochter von Ingrid Klimke.
Witzige Einlage: Wie die Rollkur richtig anzuwenden ist, wurde im Kostüm einer wesfälische Hausfrau erklärt (wer steckte wohl darunter?). Man nehme ein Nudelholz, und rolle damit die Muskelpartien von Pferd und Reiter ab, erklärte sie. Carmen Thiemann und Butt’s Abraxxas hielten dafür Knochen und Muskelfleisch hin.
Viele Fans von Braxxi freuten sich sicherlich über den Auftritt dieses fitten Rentners: Carmen Thiemann ritt ihn bloß auf Halsring, ohne Sattel. Der Blüter wirkte frisch und munter. Die nächste Einheit zeigte, wie ein Pferd zu arbeiten ist, das mit mittelprächtigen Gangarten gesegnet ist, „Veto ist ein Pferd, wie es vielleicht viele von Ihnen daheim stehen haben, er hat durchweg gute Gangarten, aber eben keine herausragenden“, erklärte Ingrid Klimke. Im Sattel saß ihre ehemalige Auszubildende Sophie. Zudem hatte sie neben dem Trensenzaum auch den Halsring angelegt, „manchmal ist es besser, das Bändchen mitzunutzen, wenn man aus dem Sitz heraus pariert, um nicht zu viel am Zügel zu machen“, erklärte Ingrid Klimke. „Das Reiten mit Halsring hat mir Linda Tellington-Jones mal gezeigt, und wir benutzen ihn gern“, so die Reitmeisterin. Um den fleißigen Veto ruhiger zu bekommen, erinnerte sie die Reiterin immer wieder ans Durchatmen und setzte Trab- und Galoppcavaletti ein. Beide waren so angeordnet, dass sie auf dem Mittelzirkel genutzt werden konnten. Je nachdem, wie Sophie den Mittelzirkel anlegte, ritt sie nur über eine Reihe von Cavaletti oder über beide. „Nach dem Trabcavaletti eine deutliche Parade, damit das Angaloppieren gelassen ist“, erklärte Ingrid Klimke, und erinnerte immer wieder an die vorfühlende Hand: „Überstreichen, damit er merkt, er ist frei!“ Sie legte Wert auf ein markantes Angaloppieren: „Zurückkommen und einspringen lassen!“, erinnerte sie die Reiterin.
Immer wieder war im Laufe des Tages zu beobachten, wie sehr Ingrid Klimke das Aufgabenpensum an das anpasste, was das jeweilige Pferd in diesem Moment zeigen konnte. „Im Trab ruhig, im Galopp heiß, so ist er halt!“, kommentierte sie Veto und arbeitete mit dem Paar an einem besser durchgesprungenen, aber ruhigen Galopp. In der Ecke eine Volte, daraus etwas zulegen, das Pferd vorlassen, und zurückkommen, lautete die Aufgabe. „Achtung, pass auf seinen Eifer auf!“, erinnerte sie.
„Verpasse den Moment nicht, in dem er gut ist, auch wenn man es sich gewünscht hätte, dass er sehr gut ist!“ Die Reiterin sollte dem Pferd frühzeitig ein positives Feedback geben, „sonst ist die Kraft weg! Zügel aus der Hand kauen lassen“, wies sie an und erklärte dem Publikum: „Wir hören ihn jetzt atmen, das ist noch kein Schnauben, aber er atmet“, was besser als zuvor war, weil Veto dazu neigte, flach zu atmen, die Luft anzuhalten.
Für das finale Schaubild holte Ingrid Klimke dann ihre zwei besten Dressurpferde in die Halle: erst Geraldine, dann Franziskus. Christoph Hess, der ehemalige Ausbildungsleiter der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, kommentierte dies im Ring.
Beeindruckt zeigten sich viele von Ingrid Klimkes deutlichen Worten zu Franziskus. Der Hengst war nicht einfach, gern mal ein Matcho. Sie erzählte, dass sie oft an sich gezweifelt habe, und „kurz davor war, ihn abzugeben, sich fragte, ob sie die Richtige sei für dieses Pferd
Dass ihr Zweifeln unbegründet war, zeigte sich spätestens in dieser Saison. Franziskus ist genauso wie Geraldine für das Finale des Nürnberger Burgpokals qualifiziert. Diese Turnier im Dezember ist so etwas wie die Visitenkarte für jedes Pferd, das mal für das ganz große internationale Parkett in Frage kommt. Ingrid Klimke zeigte den Hengst in der Aufgabe dieses Finales, dem St. Georg Special. „Die Schlusstour Mittellinie, halten, rückwärtsrichten, dann starker Trab und wieder halten war spannend“, erzählt Christian Kröber. Beim Mitteltrab – mit extrem aktiver Hinterhand, vorbildlich – brandete Applaus auf, „der ist losgestrampelt wie ein Weltmeister, alle applaudierten, er legte noch einen Zahn zu und kam vor der kurzen Seite kaum zum Halten“, erzählt Christian Kröber. „Daraufhin bat Christoph Hess um noch eine Runde, bei der die Zuschauer leise sein sollten – und dann klappte es auch ganz wunderbar!“