Die Handarbeit kann dir bei der Gymnastizierung und Kräftigung von deinem Pferd helfen und zusätzlich auch eure Beziehung stärken. Wir zeigen dir in diesem Artikel, welche Ausrüstung du dafür brauchst und wir haben zum Einstieg viele Tipps unter anderem von Kathrin Roida für dich. Wenn es um die Handarbeit mit dem Pferd geht, ist sie eine Expertin. Die Ausbilderin arbeitet in Fürstenfeldbruck in Bayern und hat ihr Wissen vor allem bei Marc de Broissia, Dr. Gerd Heuschmann und Anja Beran erworben. Also: Viel Spaß beim Lesen!
Was bringt die Handarbeit mit dem Pferd?
Der größte Vorteil der Arbeit an der Hand ist das Verständnis des Pferdes: Das Pferd kann ohne Reitergewicht lernen, was vor allem für die Seitengänge eine große Hilfe ist. Weitere positive Effekte, die im Laufe der Ausbildung an der Hand hinzu kommen, sind zum Beispiel Gymnastizierung, Kräftigung und das verbesserte Auf- und Abfußen. Daher gehört die Arbeit an der Hand mit zum Ausbildungsrepertoire in der Klassischen Reitkunst. In Anja Berans Stall erhalten beispielsweise nahezu alle Pferde zusätzlich zum Reiten eine Ausbildung an der Hand.
Auch Claudia Butry findet viele Vorzüge für die Arbeit an der Hand: „Ich kann die Pferde am Boden gut für die Arbeit unter dem Sattel vorbereiten und habe eine gute Möglichkeit, die Pferde zu gymnastizieren, wenn ich mal nicht drauf sitzen will.“ Sie sagt ebenfalls, „dass man an der Hand die Seitengänge besonders gut dem Pferd verständlich machen kann.“
Mit der Handarbeit kannst du Abwechslung in das Training deines Pferdes bringen. Und dazu kommt, dass du mit deinem Pferd üben kannst, sehr fein und über die Körpersprache zu kommunizieren. So stärkst du eure Beziehung zueinander!
Sollte jedes Pferd auch an der Hand arbeiten?
In ihrem Buch „Klassische Reitkunst“ betont Anja Beran: „Handarbeit ist kein Muss, um zu einem feinen und rittigen Pferd zu gelangen“, denn es käme immer aufs Pferd an. Hengste, die sehr verspielt seien und die man an der Hand ständig maßregeln müsse, wären zum Beispiel in vielen Fällen unter dem Reiter besser und vor allem konzentrierter zu schulen als an der Hand.
Welche Ausrüstung brauche ich für die Handarbeit mit meinem Pferd?
Um in die Handarbeit mit deinem Pferd zu starten, brauchst du gar nicht viel. Wichtig ist vor allem eine passende Trense oder ein passender Kappzaum mit möglichst glatten Zügeln. Das verhindert, dass sich die Zügel in der Mähne verheddern. Außerdem benötigst du eine lange Gerte zum Touchieren, Begrenzen und Zeigen sowie ggf. Gamaschen oder Bandagen als Beinschutz für dein Pferd. Für dich brauchst du lediglich Handschuhe und festes, aber auch bequemes Schuhwerk.
Führposition bei der Handarbeit
Deine Führposition bei der Handarbeit befindet sich seitlich neben dem Pferd. Du stehst dabei entweder auf Höhe der Schulter von deinem Pferd oder etwas davor. Die Zügel liegen dabei über dem Pferdehals. Deine vordere Hand greift den inneren Zügel nah am Gebissring und die hintere Hand fasst den äußeren Zügel ungefähr auf Höhe des Widerristes. Ist dein Pferd sehr groß und du eher klein, dann kannst du den äußeren Zügel auch etwas tiefer greifen. Am Ende solltest du die Position möglichst lange gut halten können.
Die Gerte kommt mit in die hintere Hand und weist in der Grundposition neutral nach hinten unten. Deinen Oberkörper drehst du in der Regel in die jeweilige Bewegungsrichtung und zum Anhalten kannst du ihn leicht Richtung Pferd eindrehen.
Die treibende Hilfe in der Handarbeit mit dem Pferd
Weil die Schenkelhilfe bei der Handarbeit mit dem Pferd weitestgehend wegfällt, bilden die Stimmhilfe und die Gertenhilfe die treibende Hilfe. In ihrem Kurs auf wehorse zeigt Kathrin Roida, wie genau die Gerte in welchen Situationen gehalten wird. Manchmal ist auch die Stimmhilfe ausreichend – und dann ruht die Gerte nach hinten gerichtet in der Hand der Ausbilderin. Anhand der zwei sehr jungen Pferde im Kurs kannst du erkennen, wie wenig Hilfen nötig sind. Du siehst aber auch, dass anfangs die Pferde noch nicht präzise reagieren. Vor jedem harmonischen Bild stehen also Handwerk, Kontinuität und Konsequenz.
Vorübung für die Arbeit an der Hand
Bevor du mit deinem Pferd die Handarbeit beginnst, lohnt es sich, mit Führtraining deinem Pferd beizubringen, dass es auf deine Körpersprache achtet. Gerade das Anhalten auf deine Körpersprache hin kann die ersten Einheiten der Handarbeit für dich und dein Pferd leichter machen. Außerdem kannst du so vorher erste Stimmkommandos etablieren, die dir dann in der Arbeit an der Hand helfen deinem Pferd zu erklären, was du gerade von ihm möchtest.
Das Anhalten auf Stimmhilfe und Körpersprache etabliert Kathrin Roida gerne auf dem zweiten oder dritten Hufschlag mit der aufgerichteten Gerte als Barriere. Wie Kathrin Roida das genau einsetzt, ist in ebenfalls ihrem Kurs auf wehorse anhand eines rohen Zweijährigen gut erkennbar. Der Zweijährige reagiert so gut, dass sie sehr schnell nur noch die Stimmhilfe nutzen muss.
Klappt dieser erste Schritt, soll das Pferd auch stehen bleiben, wenn die Ausbilderin auf Schulterhöhe neben dem Pferd stehen bleibt. Dafür gehen die beiden auf dem ersten Hufschlag, so wird die Bande als Begrenzung genutzt. Zum Anhalten nimmt Kathrin Roida ihre Schultern leicht zurück und schließt die eigenen Beine, sodass die Füße nebeneinander stehen. Geht das Pferd weiter oder tritt wieder an, nimmt sie die Gerte als Hilfsmittel nach vorne (unbenutzt wird sie nach hinten zum Boden hin zeigend in der Hand gehalten). Das Pferd soll mit dem Antreten warten, bis die Ausbilderin einen Impuls nach vorn gibt.
Der Einstieg in die Arbeit an der Hand
Jeder unserer wehorse-Ausbilder, ob es Kathrin Roida, Anja Beran, Richard Hinrichs ist, beginnt bei der Arbeit an der Hand mit den Übergängen zwischen Schritt und Halt. Diese sauber auszuführen ist die erste, wichtige und gar nicht so einfache Aufgabe.
Auch hier bietet es sich an, zunächst auf dem ersten Hufschlag zu bleiben, um die Bande als Begrenzung und Orientierung nutzen zu können. Zum Antreten befindest du dich in der oben beschriebenen Führposition und dein Oberkörper ist nach vorne gedreht. Dabei kannst du dein Pferd z.B. mit einem Schnalzen oder auch einem leichten Touchieren am Hinterbein animieren loszugehen.
Zum Anhalten kannst du mit halben Paraden das Tempo deines Pferdes zunächst leicht abfangen und dann über deine Stimme und deine Körpersprache deinem Pferd signalisieren anzuhalten. Drehe deinen Oberkörper dabei leicht gegen die Bewegungsrichtung zum Pferd ein.
Achte immer darauf, dass deine Zügelhilfen leicht sind und kein dauerhafter starker Zug entsteht. Lobe dein Pferd, sobald es eine Reaktion in die richtige Richtung zeigt, egal wie klein sie ist, und mache zwischendurch Pausen, in denen dein Pferd sich strecken kann. Zu Beginn dürfen die Einheiten auch sehr kurz sein. Bedenke, dass die Handarbeit für dein Pferd eine ganz neue Aufgabe ist und damit viel Konzentration erfordert.
Weitere Übungen für die Handarbeit mit deinem Pferd
Claudia Butry baut mit ihren Schülern häufig die Arbeit an der Hand parallel zum Reitunterricht auf. Wenn die Übergänge zwischen Schritt und Halten gut klappen, folgen Rückwärtsrichten und Übertreten. Erst danach folgen Seitengänge wie Schulterherein, Renvers und Travers.
Übertreten lassen an der Hand
Übertreten ist der Einstieg, oder besser: die direkte Vorübung für die Seitengänge. Das Übertreten verbessert die Geschmeidigkeit der Bewegung und erklärt dem Pferd, wie es seitwärts treten kann. Auch die Durchlässigkeit wird verbessert, vor allem, wenn Trab-Schritt-Übergänge mit einbezogen werden. Solche Übungen haben einen direkten Nutzen, wenn sie vor dem Reiten zum Aufwärmen am Boden gemacht werden: Das Pferd ist warm, fußt weicher und leiser auf, es beugt die Gelenke besser. Langfristig sorgen sie neben der Geschmeidigkeit auch für die Kräftigung des Pferdes.
Beim Übertreten steht der Mensch vor dem Pferd. Das Pferd bewegt sich übertretend um ihn herum. Kathrin Roida nutzt währenddessen unterschiedliche Kopf- Halspositionen und hebt den Kopf auch bewusst an. In ihrem Buch erklärt sie das folgendermaßen: „Die äußere Halsmuskulatur und vor allem die oftmals stark ausgeprägte Unterhalsmuskulatur wird sichtlich mehr gedehnt, nach der Arbeit wirkt der Hals länger und schöner, obwohl wir ihn entgegen der gewohnten beigezäumten Haltung gearbeitet haben. Man kann förmlich zusehen, wie die Pferde durch diese unspektakuläre Arbeit aufmuskeln und geschmeidiger werden.“ Erst wenn Schulterkontrolle auf dem kleinen Kreis möglich ist, nutzt Kathrin Roida die Übung auch auf größeren Linien.
Den Spanischen Schritt an der Hand erarbeiten
Eine Paradelektion an der Hand ist natürlich der imposante Spanische Schritt. Er hat eine hohe gymnastische Wirkung und kann die Schulterfreiheit des Pferdes verbessern. Tatsächlich gehört er eigentlich nicht wirklich in den Bereich Reitkunst. „Der Spanische Schritt gilt leider nicht als klassische Lektion“ erklärt Anja Beran, und fügt hinzu: „da kann man drüber streiten, weil die Klassik orientiert sich ja an der Natur des Pferdes, jeder Hengst auf der Koppel, wenn er mit dem Rivalen rangelt, greift er mit dem Vorderbein eben mal waagerecht nach vorn und schlägt oder tritt damit.“
Um einem Pferd den Spanischen Schritt in der Handarbeit beizubringen, beginnt sie mit dem Touchieren des Vorderbeins mit dem Gertenknauf und gibt sich anfangs mit ganz kleinen Bewegungen zufrieden. Wo am Vorderbein das Pferd am besten reagiert, ist von Pferd zu Pferd verschieden.
Noch mehr zum Thema Arbeit an der Hand und weiteres findest du auf wehorse. Viel Spaß beim Stöbern, Lernen und Ausprobieren!