„Wir haben auf WFFS getestet!“ liest man jetzt immer häufiger bei Hengsthaltern, zum Glück! Diese Genkrankheit kann nämlich dazu führen, dass Fohlen nicht lebensfähig geboren werden. Warmblood fragile foal syndrome heißt sie ausführlich. Als erstes Landgestüt veröffentlichte auch Neustadt/Dosse sehr vorbildlich die Testergebnisse der eigenen Hengste. Wie sich die Genkrankheit vererbt, ist für viele Züchter und Reiter noch nicht klar. Hier also die einfachste Erklärung der Vererbung für WFFS!
Was ist WFFS?
Bei WFFS reißt die Haut durch normale Berührungen. Nur wenn die Anlage für WFFS von beiden Elterntieren weitergegeben wird, erkrankt das Fohlen. Solche Fohlen müssen eingeschläfert werden. Bisher wird die Krankheit totgeschwiegen – daher ist diese Veröffentlichung ein großer Fortschritt, der zeigt, wie verantwortungsvolle Anpaarungen in Zukunft möglich sein können.
Hier in aller Kürze die wichtigsten Fakten zu WFFS:
- Jedes Fohlen mit dem Gendefekt WFFS muss eingeschläfert werden: Die Haut löst sich vom Körper ab.
- Ein einfacher Bluttest für 100 Euro verschafft Klarheit, ob das eigene Tier diese genetische Veranlagung unbemerkt trägt oder nicht.
- Die Genkrankheit WFFS tritt auf, wenn Stute und Hengst beide die Veranlagung dazu dem Fohlen mitgeben.
- Es gibt keine sicheren Zahlen, wie viele Pferde die Veranlagung zu WFFS in sich tragen.
- Studien lassen vermuten: Es ist wahrscheinlich nicht selten und könnte auch ein Grund für Aborte und Todgeburten sein.
Was passiert mit Fohlen, die WFFS haben?
WFFS ist in der Warmblutpopulation nicht selten genetisch angelegt – Studien gehen davon aus, dass 6 bis 11 Prozent aller Warmblüter selbst Träger für diese Krankheit sind. Das bedeutet sie sind augenscheinlich gesund, können die Veranlagung aber weitergeben. Nur wenn ein WFFS-Träger mit einem WFFS-Träger angepaart wird, gibt es eine 25 % Wahrscheinlichkeit, dass das Fohlen betroffen ist, sich dadurch seine Haut vom Körper löst und es getötet werden muss. Neben der schnell reißenden Haut ist ein weiteres Symptom, dass die Fohlen meistens nicht aufstehen. Es gibt keine Heilung, WFFS-Fohlen müssen eingeschläfert werden. . Meist kommt es aber gar nicht zur Geburt eines voll entwickelten WFFS-Fohlens: Die meisten der WFFS-Fohlen gehen aber, so vermutet die Wissenschaft aktuell, zuvor im embryonalen Stadium ab und werden daher als Abort gezählt, als verfohlt oder nicht tragend geblieben. Daher ist die Dunkelziffer vermutlich hoch.
Wer es genauer wissen möchte, liest weiter!
Wie genau veerbt sich WFFS?
Grundsätzlich hat jedes Individuum zwei alternative Versionen eines Gens in seinem Körper. Eins davon hat es von der Mutter, eins vom Vater. Welches sich ausprägt, hängt mit dem Erbgang zusammen. Im Fall von WFFS lauten die möglichen Kombinationen, die im Pferd genetisch vorliegen:
a) N/N
Bedeutet: Das Pferd hat keine Anlage zu WFFS und kann daher auch keine Anlage zu WFFS weitergeben. So ein Pferd nennt man Nicht-Träger.
b) WFFS/N
Bedeutet: Das Pferd hat eine Anlage zu WFFS, kann diese weitergeben, ist selbst aber nicht beeinträchtigt, man spricht von einem WFFS-Träger. Solche Pferde sind voll belastbar und in keiner Weise krank. Ihr eigener Wert ist nicht gemindert. Sie haben eben nur den Genstatus des Trägers. Das Pferd selbst ist nicht beeinträchtigt, weil es ein rezessiver Erbgang ist. Das bedeutet: Die nicht-erwünschte Eigenschaft vererbt sich nicht dominant, sondern wird von der ursprünglichen, gesunden Variante quasi überdeckt.
c) WFFS/WFFS
Das ist die Katastrophe: Der Nachwuchs hat die Anlage von beiden Eltern geerbt, ist nicht lebensfähig, die Haut löst sich vom Körper. Diese Version findet nicht unter erwachsenen Pferden. Aber es ist wichtig, diese Konstellation durch kluge Anpaarungsentscheidungen zu vermeiden.
Ein Zuchtpferd gibt eine Version von den oben genannten weiter, wenn es sich vererbt.
Pferd a) kann nur N weitergeben, eine andere Variante besitzt es nämlich nicht. Demnach werden alle Nachkommen, egal mit welchem Partner, nicht gesundheitlich beeinträchtigt sein. Es wird nur äußerlich gesunde, voll einsatzfähige Nachkommen hervorbringen!
Pferd a) kann mit einem Partner wie Pferd b) jedoch Nachkommen hervorbringen, die denselben genetischen Status haben wir Pferd b), also Träger. Wie das funktioniert, steht weiter unten.
Pferd b) kann entweder sein N weitergeben oder sein WFFS. Die Chance dafür ist 50:50.
Wenn Pferd a) mit Pferd b) angepaart wird, und beide geben ihr N weiter, erhält man einen Nichtträger.
Wenn Pferd a) mit Pferd b) angepaart wird, und Pferd b) gibt seine Trägerschaft, WFFS, weiter, erhält man ein Fohlen mit dem Trägerstatus N/WFFS.
Wie können sich Züchter vor WFFS schützen?
Ein Züchter sollte niemals ein Pferd, das WFFS Träger ist mit einem anderen Pferd, das ebenso den Träger-Status hat, angepaaren! Ansonsten könnte es zur tödlichen Kombination WFFS/WFFS kommen.
Nur mit einem Partner wie Pferd a) ist sicher, dass es keine beeinträchtigten Nachkommen hat.
Pferd c) kann sich nicht fortpflanzen, da es kein Alter erreichen kann, in dem Fortpflanzung möglich ist.
WFFS vererbt sich rezessiv, das bedeutet, dass es nicht in Erscheinung tritt, wenn die zweite Genversion im Körper N ist. Es tritt nur in Erscheinung, wenn von beiden Eltern die Veranlagung zu WFFS weitergegeben wird. Und dann ist, wie bekannt, das Fohlen nicht lebensfähig.
Auch wenn es zur Zeit noch keine offiziellen Bestrebungen gibt, Hengsthalter zu verpflichten, ihre Tiere auf die gängigen Gendefekte wie die Genkrankheit WFFS testen zu lassen, wächst immerhin das Bewusstsein für die Problematik.
Dr. Thomas Nissen vom Holsteiner Verband arbeitet gemeinsam mit anderen Zuchtverbänden, wie auch dem Westfälischen, und der FN an einer Gesundheitsdatenbank. Bis 2018 werden Daten gesammelt, einige Jahre später sind Ergebnisse zu erwarten, schreibt Zuchtleiter Dr. Thomas Nissen. Vor allem die Röntgenthematik, aber auch Gentests sollen hier eine große Rolle spielen.
Man kann nur hoffen, dass die Chance, hier bezüglich der Verbindlichkeit von Gentests nachzubessern, genutzt wird. Wilken Treu, Zuchtleiter des Westfälischen Verbandes, ist hier guter Dinge: „Die Einführung der standardmäßigen Überprüfung von Gendefekten bei Pferden kann aber mit dem Start in die genomische Selektion für Gesundheitsmerkmale als ‚Nebenprodukt’ beginnen.
War Donnerhall WFFS-Träger?
Welche aktuellen Anpaarungsfälle es gibt, ob Donnerhall Träger war und weshalb Vollgeschwister einen komplett unterschiedlichen WFFS-Status haben können, ist hier auf meinem Blog www.alifewithhorses.de nachzulesen.
Generell wäre mehr Transparenz und Offenheit ein ganz großer Schritt nach vorne, und dass Hengsthalter den Mut haben von der Krankheit zu sprechen und Ergebnisse zu veröffentlichen. Hilltop Farms zeigt wie es geht und hat das positive Testergebnis eines eigenen Hengstes öffentlich gemacht: Sternlicht von Soliman de Hus x Rascalino sei WFFS-Träger, schreiben sie. Also ein Hengst mit einer auch in Deutschland gängigen Abstammung. Sternlicht ist ein moderner Rappe mit Blesse, acht Jahre alt, auf St-Georges-Niveau in den USA startend. Bisher habe es keinen WFFS-Fall mit dem Hengst gegeben (der statistisch gesehen zu 25% bei einer Verpaarung an eine WFFS-Trägerin auftritt), berichtet die Station.
Hilltop Farms nimmt Sternlicht für diese Saison aus der Besamung heraus, um Zeit für Aufklärung der Züchter zu gewinnen. Denn wird er an trägerfreie Stuten angepaart, sind ausschließlich gesunde Fohlen zu erwarten.
Das ist ein erster Schritt um die Zucht vor der Krankheit WFFS zu schützen und den Tieren somit viel Leid zu ersparen.
Ein Interview mit Forscherin Nena Winand: „Würden wir Trägertiere aus der Zucht nehmen, würden wir das Leistungsniveau im Sport verändern!“
Nena Winand ist die Wissenschaftlerin, die die Gen-Mutation zum Warmblood fragile faol syndrom (WFFS) zuerst erforschte und das Patent darauf 2012 für die Cornell Universität erhielt. Zuvor führte sie umfassende Studien zu HERDA bei Quarter Horses durch. Heute ist Nena Winand in Rente. Privat hat sie früher Springpferde und Hunter geritten, seit 20 Jahren hat sie sich dem Reining verschrieben.
Frau Winand, Sie haben das für WFFS zuständige Gen erforscht. Es gibt also kaum jemanden, der sich besser mit dieser Mutation auskennt, als Sie. Was ist Ihre Einschätzung, wie häufig kommt WFFS-Trägerschaft bei der Warmblütern vor?
Wir haben dieses Gen bei Pferden verschiedener Zuchtbüchern gefunden. Ich gehe normalerweise von zehn Prozent Trägerschaft aus. Eine Studie des Unternehmens Laboklin, die 500 Pferde untersuchte, geht von neun Prozent Trägerschaft aus. Ein Tierarzt von Laboklin nannte mir diesen Wert, ich habe die Daten nicht selbst von ihnen erhalten. Aber wir werden diese Zahl in Zukunft viel genauer, auch auf Rasse und Zuchtbücher individuell, benennen können.
Kommt der Gendefekt WFFS häufiger bei Dressurabstammungen oder Springabstammungen vor?
Pferderassen aller Disziplinen sind diesem Risiko ausgesetzt.
Welche Rassen sollte man denn testen lassen? Wir wissen von WFFS bei Warmblütern, aber was ist mit Vollblütern, Trakehnern, Arabern, Lusitanos, Quartern, Reitponys, zum Beispiel?
Zu den Iberern kann ich nichts sagen. Aber alle warmblütigen Rassen inklusive der Trakehner und deutscher Rassen, genauso wie Vollblüter, Knabstrupper und Pferde mit Vollbluteinfluss sollten kontrolliert werden, damit man weiß, wie es in deren Population aussieht. Diese Arbeit wird übrigens zur Zeit am Veterinary Genetics Laboratory der Universät von Kalifornien Davis, gemacht. Sobald die Ergebnisse gesichert vorliegen, wird man das Ergebnis auf deren Infoseite lesen können.
Es werden immer mehr Stimmen laut, die anhand der Abstammungen der WFFS-Träger-Pferde den Ursprung der Mutation kennen wollen. Es gibt Gerüchte, dass man vor allem in hannoverschen Papieren vor 100-180 Jahren fündig werden könnte. Was denken Sie darüber, ist da etwas dran?
Das ist nicht korrekt. Es ist nicht möglich, den Ursprung einer Mutation anhand von Abstammungen herauszulesen. Dafür braucht man die Herangehensweisen von erfahrenen Populationsgenetikern.
Was würden Sie Züchtern und Hengsthaltern aktuell empfehlen? Wie soll man mit diesem neuen Wissen über den Gendefekt WFFS umgehen?
Alle Zuchtpferde von den entsprechenden Rassen testen lassen und nicht Träger an Träger anpaaren. Wenn man Warmblüter an andere Rassen anpaart (zum Beispiel Quarter, Anm.d.Red.), sollten diese auf WFFS1 und HERDA getestet werden.
…HERDA ist eine andere Bindegewebsschwäche, die vor allem bei Quartern vorkommt…
HERDA-Träger sollten sicherheitshalber nicht an WFFS1-Träger angepaart werden.
Sollte man Trägertiere aus der Zucht nehmen?
In einer idealen Welt würden wir die Trägertiere aus der Zucht nehmen. Aber die Trägerlinien, die ich untersucht habe, könnten zu den Top-Athleten gehören. Würden wir die Träger aus der Zucht herausnehmen, dann würden wir das Leistungsniveau verändern, unsere besten Spring- und Dressurpferde würde es treffen. Ich würde dazu raten, sehr gute Nichtträger-Nachkommen langfristig als Zuchtpferdestamm zu pflegen.
Denn auch aus Trägerpferden können ja Nichtträger gezogen werden. Wie sicher sind denn eigentlich die Gentests, die angeboten werden? Es gibt ja immer mehr Labors, die den WFFS-Test anbieten.
Zwei Labore haben ein extern überprüftes, gesichertes Testverfahren. Das ist Laboklin in Europa und die Universität von Kalifornien, Veterinary Genetics Laboratory, in the USA. So weit ich weiß, lassen Pracital Horse Genetics in Australien auch gerade ihre Ergebnisse auswärts validieren.
Wie kommt es eigentlich zu einer solchen Mutation wie dem Gendefekt WFFS? Kann Linienzucht das begünstigen?
Anpaarungs-Strategien sind nicht die Ursache für Mutationen. Mutationen entstehen aus vielfältigen Gründen in allen Organismen, die DNA Genome besitzen. Diese können sich herausbilden aufgrund von chemischen oder physikalischen Mutationen oder DNA Replikationen oder körpereigenen fehlerhaften DNA Reparaturen. Das sind die Mechanismen, die Mutationen hervorrufen. Bei rezessiven Erbgängen zeigen sie sich oft erstmals, wenn Inzucht durchgeführt wird. Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass jeder gleiche Vorfahre zwischen Stute und Hengst, egal wie entfernt zurückliegend, im medizinischen Sinne Inzucht meint.
Wie haben Sie die Mutation WFFS entdeckt?
Als ich HERDA I untersuchte, nutzte ich ein Verfahren, das auf den Forschungen zum menschlichen Ehlers Danlos Effekt (ebenfalls eine Gewebeschwäche, Anm. d. Red.) basierte. Diese Werkzeuge brauchte ich, als ich meine Proben bekam. PLOD1 war der logische Kandidat unter den Genen, der unter Verdacht stand und ich besaß das Werkzeug, PLOD1 zu untersuchen.
Das ist der genetische Baustein, an dem die Mutation vorliegt. Wie sah denn der erste tatsächliche Fall aus, den Sie untersuchten?
Der erste Fall, von dem ich hörte, war ein Warmblutfohlen eines bekannten kanadischen Züchters. Mein Kollege Dr. John Baird von der University of Guelph Veterinary College erzählte mir davon. Er wusste, dass ich mich für Zusammenhänge von Gewebestörungen bei Pferden interessierte. Wir konnten damals Blutproben von Mutterstute und Hengst sichern. Diese erhielt ich im Juni 2007. Gewebeproben gab es leider nicht. Ich bewahrte die Blutproben auf, bis ich im April 2011 einen weiteren Fall bekam. Hier konnten wir Gewebeproben des Fohlens bekommen, sowie Blutproben der Mutter. Der Hengstbesitzer war unkooperativ.
Und dann? Wie lange dauerte es, bis sie den Defekt WFFS genetisch gefunden hatten?
Ich konnte die Mutation innerhalb von wenigen Tagen finden. Dann testete ich weitere kanadische Pferde und konnte nachweisen, dass Hengst und Stute des betroffenen Fohlens ebenfalls Träger der Mutation waren. Ich konnte einen kleinen Populations-Abgleich machen und fand eine Trägerrate von 10-11 Prozent bei den Warmblütern, dafür arbeitete ich mit mehreren Zuchtbüchern zusammen. Im Mai 2011 ging der Patentantrag heraus und 2012 erhielt Laboklin die Rechte für das Testen auf diesen Gendefekt in Europa.
Wie sind Sie denn überhaupt auf die Idee gekommen, wonach Sie suchen müssen um den Gendefekt WFFS zu finden?
Der Bereich von erblichen „Connective Tissue Fragility Syndroms“ (Gewebsschwächen) sind besonders im Humanbereich gut erforscht. Wir informierten uns aufgrund dieser Vorlagen. PLOD1 Mutationen und Ehlers Danlos Syndrome VI ist wirklich gut erforscht beim Menschen.
Was war den Fohlen, die sie auf den Gendefekt WFFS untersuchten, denn äußerlich gemein?
Sie besaßen alle extrem fragile Haut, Bänder und Sehnen.
Aktuell hat der Zuchtverband KWPN in den Niederlanden das Testen aller Hengste auf WFFS zur Pflicht gemacht, nachdem WFFS-Fohlen der Hengste Everdale und Total U.S. gemeldet wurden. Die deutsche FN hat eine Studie zum Thema in Auftrag gegeben, ebenso der Schwedische Verband. Der Gendefekt WFFS ist Thema auf der nächsten Konferenz des WBSFH (World Breeding Federation for Sport Horses).
Als die Genkrankheit WFFS zuschlug: Eine traurige Fohlennacht
Hosen runter: Ich habe Euch schon häufig erzählt, dass ich die Zucht so mag. Dass ich als Journalistin zum Beispiel für das Buch „Ausgewählte Hengste Deutschlands“ arbeite, dass ich mich in Stutenfamilien verlieren kann und gern zuhöre, wenn mir jemand seine Zuchtphilosophie erklärt. Doch Züchten ist genauso wunderschön wie grausam. Das habe ich am eigenen Leib erfahren. Mein letztes Hengstfohlen wurde nur wenige Stunden alt. Warum, erfahrt ihr in diesem Text:
Es war eine Bilderbuchgeburt. Bei der Abendkontrolle gegen neun Uhr abends steht die Stute mit gesenktem Becken da, das Fruchtwasser geht ab, kurz darauf ist ein schickes, agiles Hengstfohlen geboren. Große Freude. Wir machen Fotos: die Mutterstute, wie sie ihr Fohlen leckt, meine Tochter im Grundschulalter, wie sie staunend die beiden beobachtet, strahlende Gesichter.
45 Minuten später steht das Fohlen noch nicht. Nun ja, bisschen Zeit ist ja noch. Ich sehe einen Hautschnitt am Kronrand. Desinfiziere die kleine Wunde. Komisch, denke ich noch, hat er sich das bei den Aufsteh-Versuchen geholt? Ich hab ihn doch keinen Moment aus den Augen gelassen. Ein paar Minuten später: Verletzung auf dem Vorderfußwurzelgelenk. Mist. Noch ist mir nicht klar, dass es sich um den WFFS Gendefekt handelt.
Vielleicht liegt doch zu wenig Stroh in der Box, überlege ich. Mehr Stroh muss her. Machen wir. Das Fohlen steht immer noch nicht, wir melken Kolostralmilch ab, füttern es mit der Flasche. Es saugt kräftig. Einige Minuten vergehen, dann ist die Wunde auf dem Vorderfußwurzelgelenk so groß wie eine 2-Euro-Münze. Das wird mir zu heiß. Ich rufe meine Tierärztin. Als sie ankommt, ist der Hautlappen auf dem Vorderfußwurzelgelenk handtellergroß abgerissen. Ohne Fremdeinwirkung. Man kann auf das Gelenk gucken. Die Wunde am Vorderfußwurzelgelenk wird getackert und verbunden. Nichts blutet. Dann sehen wir eine weitere Wunde: Sprunggelenk, eine Hauttasche, senkrecht offen, als ob man einen Speer hindurchstecken könnte. Wir fahren in die Tierklinik, hunderte Kilometer in der Nacht. Dort in der Fohlenintensivmedizin wird der kleine Hengst auf eine blaue Turnmatte gebettet, Kanülen werden gelegt. Der Arzt notiert: „Lebensschwaches Fohlen. Trink- und Saugreflex vorhanden. Großflächige Defekte, Trennung von Haut und Unterhaut ohne Blutungen, Unterhautemphysem.“ Das Fohlen wird intensivmedizinisch versorgt. Sechs Uhr morgens, ich fahre nach Hause und hoffe.
Sonntagnachmittag, wieder in der Klinik: Keine Verbesserungen. Wir versuchen noch etwas, sagt der Tierarzt der Klinik, doch dann bleibt nur noch einschläfern. Dann Blutungen aus den Ohren. Das Fohlen wird geröngt, um eine Schädelfraktur auszuschließen. Die Hinterbeine sind angeschwollen, eine stecknadelgroße Oberlippenverletzung entwickelt sich zu einer großen Fleischwunde. Einfach so.
Die Obduktion ergibt: Ohren und Körper waren gar nicht mit festen Strukturen verbunden. Hätte ich einmal am Ohr gezogen, hätte ich es in der Hand gehabt.
So sieht es aus, wenn der Gendefekt WFFS zuschlägt. Die Fohlen stehen spät oder gar nicht auf, die Haut löst sich vom Körper, es entstehen nicht blutende Wunden ohne Fremdeinwirkung. Bei WFFS, „warmblood fragile foal syndrome“, ist die Kollagenverbindung zwischen dem Körper des Tieres und seiner Haut verändert. Überlebenschancen: Null Prozent.
Seitdem weiß ich: Meine Stute ist positiv. Sie trägt das WFFS-Gen und kann es weitergeben. Das wusste ich klinisch gesehen nach dieser Geschichte, aber um schwarz-auf-weiße Fakten zu haben, habe ich sie testen lassen. Ein einfacher Bluttest, 100 Euro ausgegeben, und nun habe ich die Gewissheit, dass diese Stute eben nur mit einem Hengst, der nachgewiesen kein WFFS-Gen in sich trägt, sicherlich gesunde Nachkommen haben kann. Die Stute wird nicht mehr gedeckt – aber das hat für mich nichts mit diesem Testergebnis zu tun, das hat andere Gründe. Fest steht aber: Bis es in Warmblutzuchtverbänden für Hengste die Pflicht zum Testen gibt, muss jeder Stutenbesitzer selbst vorsorgen. Ich kann mich als Züchter nur schützen, indem ich jede Stute testen lasse. Und für positive Stuten gezielt Hengste aussuche, dessen Besitzer freiwillig testen lässt. Das spart tausende Euro und extremes Tierleid.
Ich wünsche mir, dass jeder Züchter von der Genkrankheit WFFS weiß und bekannt wird, wie man sie verhindern kann.