Ausbilder David de Wispelaere hat in den USA seinen europäischen Traum gefunden. Auf seinen Kurstouren hierzulande lehrt er die feine Reitkunst in Verbindung mit großem Respekt für Pferd und Mensch.
Unterricht bei David de Wispelaere
Ein Reitplatz, umsäumt mit hohen Tannen. Ein schlaksiger, großer Brauner trabt auf dem Mittelzirkel. Im Sattel ein 15-jähriger Junge, abwechselnd soll er aussitzen und nach ein paar Tritten wieder leichttraben, dabei die Zügel aus der Hand kauen lassen. „Der Rücken soll atmen und in Schwung kommen“, sagt sein Reitlehrer David de Wispelaere, „manchmal ist ein Pferd aktiver im Aussitzen, doch nach einiger Zeit lässt dies nach. Wenn man dann wieder leichttrabt, aktiviert man den Rücken wieder.“ Oft ist in dieser Unterrichtseinheit das Wechselspiel zwischen Schließen und Dehnen lassen zu sehen, häufig fordert David de Wispelaere seinen Schüler auf, die Zügel aus der Hand kauen zu lassen. Es ist ein besonderes Schülerpaar, das er hier unterrichtet: Den Wallach San Diego hat er selbst gezogen, sechsjährig ist er nun, und Philipp, den Reitschüler, kennt er auch schon seit den reiterlichen Anfängen.
Wer genau ist dieser Ausbilder?
Es ist kühl hier auf dem Reitplatz, Wind bewegt die Tannenäste, so kann ein Sommertag in Belgien auch ausschauen. Jahrelang war dieser östlichste Zipfel an der deutschen Grenze David de Wispelaeres Heimat. Hier hatte der gebürtige Amerikaner seinen Stall. Doch seit dem Frühjahr 2015 lebt er wieder in den USA. Gerade ist er auf Europareise, gestern noch gab er einen Kurs in Dänemark, heute sind die belgischen und deutschen Schüler dran, weitere Stationen hat er in der Schweiz und den Niederlanden. Seine Schüler sind äußerlich sehr unterschiedlich – da gibt es den freizeitgerittenen Tinker genauso wie das S-Dressurpferd. Wer zu ihm kommt, sucht einen feinen, fairen und klassischen Weg, sein Pferd in der Dressur auszubilden. Er hat bei Rainer Klimke in den USA noch Kurse besucht, Arthur Kottas hat ihm einige Schlüssel-Bausteine seines heutigen Reitsystems vermittelt, seine erste Station in Deutschland war der Hof von Gabriela Grillo, die einst zum Goldmedaillen-Team bei den Olympischen Spielen 1976 gemeinsam mit Rainer Klimke und Harry Boldt gehörte.
Was Reiten für David de Wispelaere bedeutet
David de Wispelaere ist ein Ästhet, Reiten ist für ihn Kunst und Kultur. Wer ihn seiner Anlage in Ostbelgien besuchte, den begrüßte oft klassische Musik in der Reithalle. In seinem Buch „Bei mir haben die Pferde etwas zu sagen“ erzählt er, dass Gabriela Grillo ihn unter anderem zwei Dinge gelehrt habe: die Liebe zur Barockmusik und auf eine noch weichere Hand zu achten. „Sie sagte öfter zu mir: ‚Sei lockerer im Handgelenk. Ich könnte in jeder Sekunde ein Foto von dir machen, deine Haltung ist perfekt, aber du musst lockerer im Handgelenk werden.’“
Auffällig gepflegte Sättel, Fellmäntel im Winter, der Stil ist das eine, doch was David de Wispelaere ausmacht ist seine wenig eitle Art für Mensch und Tier: Die Reitschülerin mit dem Isländer, der gerade erst seine Gangarten sortiert, bekommt die gleiche Aufmerksamkeit wie die S-Dressurreiterin. Er spricht sich gegen das unüberlegte Tragen von Sporen aus, für Weidegang auch für Grand-Prix-Pferde, für ein Einführen der Lektion „Zügel aus der Hand kauen lassen“ in höchsten Prüfungen.
Für Pferde aus seiner Zucht (er hat eine Vorliebe für Pferde aus der rheinischen F-Linie, besonders wenn sie Dunkelfüchse sind) sucht er sehr bewusst neue Besitzer aus, es klingt sehr familiär, ja liebevoll, wenn er über sie erzählt. So klein die Zucht mit einer Stammstute auch ist, so ausgesucht ist sie auch –seine Stammstute Wapita (die Mutter seines Hengstes Florentin) hat zum Beispiel auch mit Fidermark den Hengst Favourit gebracht, der unter den Top 50 der Weltrangliste der Dressur zu finden ist.
Das Geheimnis feinen Reitens
Wie die Atmung des Reiters das Pferd beeinflusst, das hört jeder seiner Reitschüler bald. Wie die Anspannung im Reiterkörper dadurch auf- und abgebaut werden kann und man sich dies als nahezu unsichtbare Hilfe zunutze machen kann. Woran fehlt es der Reiterei seiner Meinung nach oft? „An Vertrauen, am gegenseitigen Respekt zwischen Pferd und Reiter, die Losgelassenheit erlaubt, mentale wie körperliche“, erzählt er, den amerikanischen Akzent hört man noch in seinem flüssigen Deutsch. „Oft wird zu verkrampft, zu verbissen, zu zielorientiert geritten“. Letztens zum Beispiel, da habe er eine Schülerin im Kurs gehabt, mit der er Übergänge vom versammelten Galopp in den Schritt geübt habe. Sie ritt ein blütiges Pferd, mit dem sie auf höchster Ebene im Turniersport startete. Sie hatte selbst sehr viel Spannung im Körper; und wenn sie ihr Pferd lobte, blieb der Blick distanziert, das Loben war eher ein Tippen. „Wir mussten die Übergänge so fünfzehn Mal ungefähr wiederholen, weil es nach meinem Geschmack zuvor nicht leicht und geschmeidig genug war. Dann war es gut, und ich sage: Na super, loben, Pause!“ erzählt David de Wispelaere.
Die Reiterin ließ daraufhin die Zügel nicht los, und sagte: „Er braucht keine Pause.“ Dabei war endlich ein großes Ziel erreicht, damit das Pferd dies als positive Erfahrung abspeicherte, benötigte es die positive Verstärkung. David de Wispelaere reagierte mit erst mal selbst durchatmen. Wartete, und erklärte dann. Souverän bleiben, die Schülerin nicht durch sofortige Kritik verprellen – denn damit wäre dem Pferd überhaupt nicht geholfen.
David de Wispelaere aus der Sicht seiner Reitschüler
Eine andere langjährige Reitschülerin, Angelika Hutmacher, schätzt vor allem den Blick fürs Gesamte und für die Psyche des Pferdes an David de Wispelaere: „Für mich hat ein Satz von David es auf den Punkt gebracht: ‚Schenk Deinem Pferd Licht am Ende des Tunnels’. Er schaut eben nicht nur aufs Hinterbein und die Hand. David fühlt eben auch für das Pferd und für den Mensch auch. Er hat einen unheimlichen Respekt vor der Gesamtheit und ich als Schülerin spüre: der hat auch Respekt vor mir, vor meinem Schicksal, vor meinem Pferd. Es geht eben nicht nur um die Technik des Schulterherein – auch wenn dabei durch diese Einstellung ein besseres Schulterherein herauskommt.“
Das Leben mit zwei Pferden in den USA
Mitgenommen in die USA – er wohnt in New York State – hat er seine selbstgezogenen Pferde Florentin und Figaro. Wenn er in den USA zuvor Kurse gab, fühlte es sich stets an, wie nach Hause kommen. Warum aber jetzt wieder ganz zurück? „Alles, was ich in Europa gesucht habe, habe ich nun in New York State gefunden“, sagt David de Wispelaere. Die Mischung aus einem naturnahem Leben und Kultur, alte restaurierte Häuser mit Holzfensterrahmen, eine wunderschöne Landschaft. Morgens fährt er am Café Le Persh vorbei, „da gibt es authentische Baguettes“, danach geht es zu dem Bio-Hof, auf dem seine Pferde stehen, die Weite des Landes hat Vorteile für Pferde: „Florentin hat ein Hektar Hengstweide für sich ganz allein.“ Er zeigt Bilder von seinem neuen Leben dort auf dem Mobiltelefon: seine Kräutertöpfe im Garten, die Fernsicht hin zu den Bergen, das Flusstal Hudson River Valley, die kunstvoll geschmiedeten Griffe der Eingangstüre zur Reithalle.
David de Wispelaere im Springsattel
Reiterlich sieht man David de Wispelaere in den USA nun übrigens auch im Springsattel – er möchte einen Hunter aus Florentin machen. „Florentin zeigt mir einfach, wie viel Freude er am Springen hat.“ Anne Kursinski unterrichtet ihn, sie gewann einst den Großen Preis von Aachen. „Anne ist ein Pferdemensch, sie hat eine gute Dressurbasis und will, dass das Pferd gefordert, aber nicht überfordert wird“, erzählt er über seine Springausbilderin. „Ich bewundere ihre lockeren Ellbogen und weichen Handgelenke, du siehst, sie federt durch einen Grand-Prix-Parcours.“ Letztens, da hätte sie in einer seiner Stunden gesagt: „Jetzt könnte Florentin ein bisschen mehr vorwärts gehen, aber nicht durch mehr Bein, sondern durch weniger Hand!“ Das hat David de Wispelaere gefallen – Geraderichten, Selbsthaltung, Leichtigkeit, Harmonie. Das soll da sein. Egal ob im Springparcours oder der Dressurausbildung.