Stell dir vor, dein Pferd ist beim Training plötzlich widerwillig, zeigt Verhaltensänderungen oder reagiert empfindlich, wenn du den Sattel auflegst. Möglicherweise hat es Schmerzen – aber woher kommen sie? Eine der häufigsten und leider oft übersehenen Ursachen für Rückenprobleme bei Pferden ist das sogenannte „Kissing Spines“-Syndrom. Dabei stehen die Dornfortsätze der Wirbel so nah beieinander, dass sie sich bei Bewegung berühren oder sogar aneinander reiben. Dies kann starke Schmerzen verursachen und das Wohlbefinden deines Pferdes erheblich beeinträchtigen.
Doch was genau steckt hinter dieser Erkrankung? Wie kannst du erkennen, ob dein Pferd betroffen ist, und was lässt sich dagegen tun? In diesem Artikel nehmen wir dich Schritt für Schritt mit in die Welt der „Kissing Spines“. Du erfährst, welche Ursachen und Risikofaktoren es gibt, welche Symptome auf die Erkrankung hindeuten und welche Behandlungsmöglichkeiten deinem Pferd helfen können. Außerdem bekommst du wertvolle Tipps zur Vorbeugung, damit dein Pferd ein gesundes und schmerzfreies Leben führen kann.
Tauche ein in die Hintergründe dieser häufigen, aber oft missverstandenen Rückenerkrankung – denn Wissen ist der erste Schritt, um deinem Pferd die bestmögliche Unterstützung zu bieten.
Was genau ist Kissing Spines beim Pferd?
Kissing Spines bedeutet auf Deutsch “küssende Dornfortsätze” und bezeichnet eine häufig diagnostizierte Wirbelsäulenkrankheit beim Pferd. Bei dieser Erkrankung nähern sich die Dornfortsätze der Rückenwirbel zunehmend an, bis sie sich berühren, aneinander reiben oder gar überkreuzen. Dies kann zu starken Schmerzen, Entzündungen, knöchernen Zubildungen oder Zysten führen.
Anatomische Grundlagen des Rückens
Der Rücken des Pferdes besteht aus 18 Brust- und 6 Lendenwirbeln. Jeder dieser Wirbel hat einen nach oben hin ausgebildeten Dornfortsatz. Zwischen den Dornfortsätzen befindet sich ein kleiner Abstand. Die Dornfortsätze im vorderen Bereich der Wirbelsäule sind leicht nach hinten gewinkelt. Die Dornfortsätze im hinteren Bereich der Wirbelsäule sind hingegen leicht nach vorne gewinkelt. Der Richtungswechsel findet auf der Höhe des 14. bis 16. Brustwirbels statt, wobei sich diese Wirbel genau unter uns Reitern befinden.
Neben den Wirbeln sorgen Bänder und Muskeln für Stabilität. Das wohl bekannteste Band ist das sogenannte Nacken-Rücken-Band. Es erstreckt sich vom Nacken bis zum Kreuzbein und liegt auf den Dornfortsätzen.
Welche Ursachen hat Kissing Spines beim Pferd?
Damit dein Pferd in der Lage ist, dein Gewicht gesund zu tragen, muss es seinen Rücken aufwölben und seine Rückenmuskulatur anspannen. Ist die Rückenmuskulatur nicht stark genug oder verspannt, kann dein Pferd seine Rückenmuskulatur nicht anspannen. Das führt dazu, dass dein Pferd nicht aktiv mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt treten kann und seinen Rücken nach unten wegdrückt. Diese Fehlstellung führt dazu, dass sich die Dornfortsätze immer weiter annähern. Bei einer dauerhaften Fehlbelastung kann die Muskulatur sogar mit der Zeit schwinden. Folgende Ursachen können zu einer solchen Fehlbelastung führen und Kissing Spines begünstigen:
- Falsches Reiten und falsche Ausbildung
- Überbelastung aufgrund fehlender Muskulatur besonders in jungen Jahren
- Muskelverspannungen
- Fehlbelastung
- Gebrauch eines nicht passenden Sattels
- Von Natur aus eng aneinander stehende Dornfortsätze
- Senkrücken
- Schäden an Bändern oder Muskulatur
Wie erkenne ich Kissing Spines beim Pferd?
Kissing Spines kann sich durch eine Vielzahl von Anzeichen und Symptomen bemerkbar machen:
- Empfindlichkeit beim Abtasten oder Putzen des Rückens
- Lahmheit
- Steifheit
- Muskelschwund
- Stockende Übergänge
- Inaktive Hinterhand
- Widersetzlichkeit beim Rückwärtsrichten
- Probleme bei der Anlehnung
- Widersetzlichkeit in der Versammlung
- Kein Aufwölben des Rückens
- Verweigerung vorm Sprung
- Dein Pferd kann sich nicht in die Tiefe dehnen
- Rittigkeitsprobleme
- Taktfehler
- Häufiges Umspringen in den Kreuzgalopp
- Wegrennen unterm Sattel
- Abwehrverhalten in Form von Buckeln oder Steigen
- Sattel- oder Gurtzwang
Kann ich Rückenprobleme beim Pferd frühzeitig erkennen?
In der Regel lässt sich Kissing Spines nicht frühzeitig erkennen. Die Krankheit macht sich häufig zwischen dem fünften und dem zehnten Lebensjahr bemerkbar. Es wird allerdings vermutet, dass die Neigung zu Kissing Spines vererbt werden kann. Denn bei manchen Pferden stehen die Dornfortsätze von Natur aus enger aneinander und sind somit anfälliger für diese Erkrankung.
Weitere Risikofaktoren, die Kissing Spines begünstigen können
Neben genetischen Faktoren gibt es auch äußere Einflüsse, die das Risiko für Kissing Spines erhöhen können. Dazu gehören insbesondere falsches Training oder eine unzureichende Ausbildung des Pferdes. Eine mangelhafte Rückenmuskulatur und eine ungleichmäßige Belastung der Wirbelsäule, beispielsweise durch unpassendes Sattelzeug oder falsche Reitweise, können die Dornfortsätze der Wirbel stärker beanspruchen. Wenn die Muskulatur des Pferderückens nicht ausreichend entwickelt ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Dornfortsätze aneinander reiben und schmerzhafte Entzündungen entstehen. Dazu zählen auch Verletzungen, die sich ein Pferd zuzieht.
Diagnose von Kissing Spines beim Pferd
Eine zuverlässige Diagnose erfordert eine veterinärmedizinische Untersuchung, seitens deines Tierarztes. Dieser hat unterschiedliche Möglichkeiten Kissing Spines zu diagnostizieren:
- Untersuchung: Um erste Rückschlüsse zu ziehen, untersucht der Tierarzt zunächst den Rücken deines Pferdes nach Unregelmäßigkeiten im Fell, Spuren eines Satteldrucks, Narben und Bemuskelung.
- Röntgenbilder: Ob dein Pferd an Kissing Spines leidet, kann dein Tierarzt mithilfe von Röntgenbildern feststellen. Durch die Röntgenbilder lassen sich Veränderungen der Dornfortsätze erkennen und das Stadium der Krankheit bestimmen.
- Szintigraphie: Röntgenbilder können nicht immer das volle Ausmaß der Erkrankung darstellen. In solchen Fällen kann eine Szintigraphie, eine nuklearmedizinische Untersuchung, sinnvoll sein. Denn diese liefert genauere Ergebnisse. So können Veränderungen, die auf Röntgenbildern noch nicht zu sehen sind, mithilfe einer Szintigraphie frühzeitig erkannt werden.
Behandlung von Kissing Spines beim Pferd
Hat dein Tierarzt Kissing Spines bei deinem Pferd diagnostiziert, wird er dir eine geeignete Behandlung empfehlen. Bei einem Pferd mit Kissing Spines ist es zunächst wichtig, dieses schmerzfrei zu bekommen. Dafür können entzündungs- und schmerzhemmende Mittel verabreicht werden. Wenn das nicht ausreicht, können die Kissing Spines lokal behandelt werden. Dafür werden entzündungs- und schmerzhemmende Medikamente zwischen oder um die Dornfortsätze injiziert. Ist dein Pferd frei von Schmerzen, kannst du mit dem Training und dem Aufbau der Bauch- und Rückenmuskulatur beginnen. Dafür empfiehlt sich das Training vom Boden aus in Form von Longieren, Handarbeit und Stangenarbeit. Über die gymnastizierende Handarbeit kannst du mehr auf unserer Themenseite und in unseren Kursen erfahren. Entdecke außerdem zahlreiche Übungen zur Bodenarbeit, Schritt für Schritt erklärt und lasse dich von unseren Trainer inspirieren.
Auch korrekt bearbeitete Hufe, ein passender Beschlag und Sattel sind wichtig, um Rückenprobleme zu vermeiden. Zudem können osteopathische Behandlungen helfen, Blockaden zu lösen.
Was muss ich bei der Fütterung beachten?
Die Fütterung eines Pferdes mit Kissing Spines sollte wie bei jedem Pferd aus ausreichend qualitativ hochwertigem Raufutter bestehen. Die Frage, ob dein Pferd einen Bedarf an Mineralfutter hat und welches und wie viel es benötigt, kann dir eine Futterberatung oder dein Tierarzt beantworten. Passe die Menge an Kraftfutter an die Arbeitsintensität und Leistung deines Pferdes an. Weitere Infos über die bedarfsgerechte Fütterung von Pferden, findest du in unseren Kursen mit Fütterungsexpertin Conny Röhm.
Kann ich ein Pferd mit Kissing Spines reiten?
Ja, oft kannst du ein Pferd mit Kissing Spines reiten. Bewegung ist für ein Pferd mit dieser Erkrankung sogar sehr wichtig, um ein Fortschreiten zu verhindern. Allerdings ist es empfehlenswert, so lange vom Boden und an der Longe zu arbeiten, bis dein Pferd genug Muskulatur aufgebaut hat, um seinen Rücken aufzuwölben und dein Reitergewicht gesund zu tragen.
Wie kann Wirbelengständen beim Pferd vorgebeugt werden?
Kissing Spines kann durch korrektes Reiten und korrekte Bodenarbeit über den Rücken, einen gut passenden Sattel und korrekt bearbeitete Hufe und einen passenden Beschlag vorgebeugt werden.
Kissing Spines beim Pferd – Auf einen Blick
Was bedeutet Kissing Spines?
- Kissing Spines: Kontakt oder Überlappung der Dornfortsätze der Wirbelsäule, verursacht Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.
Symptome
- Schmerzreaktionen beim Satteln und Aufsitzen
- Steifheit und Widerwillen beim Biegen und Rückwärtsrichten
- Verspannungen im Rücken, Taktunreinheiten
Trainingstipps
- Regelmäßige Pausen und Erholung für den Rücken
- Rückenschonendes und vielfältiges Training
- Langsamer Muskelaufbau für die Rückenmuskulatur