Wie versammle ich mein Pferd und reite es in Selbsthaltung ?

Selbsthaltung beim Pferd Uta Gräf
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Da soll der Weg hinführen: in die Versammlung. Ein Begriff der oftmals im selben Satz mit der Versammlung des Pferdes fällt, ist die Selbsthaltung. Aber was hat die Selbsthaltung mit dem Thema Versammlung Pferd zu tun? Und wie sieht eine korrekte Selbsthaltung überhaupt aus?

Im Folgenden findest du genaue Erklärungen von drei wehorse-Dressurausbilderinnen zu diesem Begriff. Und ebenso einen Blick in die Fachliteratur. Dazu haben wir sowohl die aktuellen Richtlinien der FN hinzugezogen, als auch ein klassisches Standardwerk. Außerdem verrät dir Ingrid Klimke wie du am besten mit der Versammlung beginnst und welche Übungen sich dafür eignen, um dein Pferd mehr auf die Hinterhand zu setzen.

Was bedeutet Selbsthaltung des Pferdes?

Selbsthaltung wird oft „mit einer losen Anlehnung und durchhängenden Zügeln!“ verwechselt, sagt Britta Schöffmann und erklärt: „Doch das hat mit Selbsthaltung nichts zu tun, denn zu der gehört auch ein positiver Spannungsbogen der Oberlinie bei herangeschlossener Hinterhand – und eben kein durchhängender Rücken und aufgerollter Hals.“ Das Ergebnis wenn keine Zügelverbindung mehr besteht: Schlackernder Zügel, Kopf und Hals in Arbeitshaltung- ein anscheinend nettes Seitenbild: Da heißt es gern – tolle Selbsthaltung. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, wenn denn überhaupt.

Denn eigentlich soll sich dein Pferd selbst tragen. Das heißt: der Rahmen verändert sich nicht und es fällt nicht auseinander. Geschummelt ist dies aber nur dann nicht, wenn du diesen Rahmen jederzeit verändern kannst. Das bedeutet: Die Kopf-Hals-Position ändern kannst, die Trittlänge verändern kannst, das Tempo verändern kannst. Wenn du dein Pferd zum Beispiel jederzeit in die Dehnungshaltung schicken kanns, es aber auch wieder in die Arbeitshaltung aufnehmen kannst. Dein Pferd soll dabei jederzeit willig an den Zügel herantreten.

Was hat das Gleichgewicht mit der Selbsthaltung zu tun?

„In der Selbsthaltung trägt sich das Pferd selbst und befindet sich im Gleichgewicht“, erklärt Dressurausbilderin Claudia Butry. Das Tempo verändert sich nicht, das Pferd stützt sich nicht auf die Hand. Anja Beran formuliert es in ihrem Buch „Klassische Reitkunst“ so: „Die Selbsthaltung ist ein sicherer Marker für ein gut gerittenes Pferd. Trägt es sich und benötigt nicht die Reiterhand als Stütze, sind das schon gute Voraussetzungen für ein sich im Gleichgewicht befindliches Pferd. Eine aktive Hinterhand und ein stabiler Rücken bilden die Voraussetzungen für eine korrekte Selbsthaltung.“

Woran spürt der Reiter, dass das Pferd in Selbsthaltung geht?

„Das Pferd ist in der Lage das Tempo zu halten, es schwankt nicht und benötigt keine Stütze am Zügel. Die Bewegungen sind weich, fließend, rund und das Pferd ist an den Hilfen“, erklärt Claudia Butry. „Der Reiter spürt, dass die Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul leichter wird“, erklärt Dressurausbilderin Britta Schöffmann. „Der beste Weg, die Selbsthaltung zu überprüfen – und auch dazu einzuladen – ist das beidhändige Überstreichen für zwei bis drei Tritte beziehungsweise Sprünge.“

Das Pferd in Selbsthaltung ist in der Lage, seinen Kopf in der Position, in der es gerade gearbeitet wird und auch sein Gleichgewicht zu halten. Nehmen wir mal an, du trabst, dein Pferd geht in Arbeitshaltung. Hinterbein und Rücken arbeiten schön mit, das Pferd geht am Zügel, die Nasenlinie ist an der Senkrechten oder leicht davor. Es steht an deinen Hilfen. Wenn du jetzt deine Fäuste entlang des Mähnenkamms vorschiebst, ansonsten deine Hilfengebung aber nicht veränderst, sollte das Seitenbild erhalten bleiben. Wichtig: Du schiebst die Hände aus den Ellbogen heraus vor, damit sich dein Oberkörper ansonsten nicht verändert. Dein Pferd bleibt am Sitz, in dieser Arbeitshaltung, auch wenn du so für einige Tritte überstreichst, also die Zügelverbindung aufgibst. Ein in Selbsthaltung gehendes Pferd verändert beim Überstreichen weder Halshaltung noch Rahmen oder Tempo, erklärt Britta Schöffmann.

Ein Pferd geht in Selbsthaltung und Dehnungshaltung
Das Genick des Pferdes bildet den höchsten Punkt.

Fehler in der Selbsthaltung des Pferdes

Anja Beran beschreibt Ähnliches in ihrem Buch „Klassische Reitkunst“. Besonders die Situation, wenn das Pferd eigentlich hinter dem Zügel ist, wird gern mit Selbsthaltung schön geredet oder als Selbsthaltung empfunden. Anja Beran schreibt: „Manche Pferde legen sich zwar nicht auf die Hand, sind aber eng im Hals und vollkommen hinter dem Zügel. Sie trauen sich nicht mehr, an das Gebiss heranzutreten, weil sie mit Kraft aufgerollt wurden. Das darf nicht mit einer klassischen Selbsthaltung verwechselt werden! Zu ihr zählt auch, dass das Genick des Pferdes den höchsten Punkt bildet.

Aber es ist schon tückisch: „Wenn das Pferd sich verkriecht, hinter den Zügel kommt und tendenziell in eine absolute Aufrichtung kommt, fühlt sich das ähnlich an“, erklärt Claudia Butry. „Allerdings ist das Pferd dann in der Regel nicht mehr vor den treibenden Hilfen, lässt sich also nicht mehr vorschicken, sucht die Verbindung zum Reiter nicht mehr und die Bewegungen sind spannig, verkrampft und unrund.“

“Zügel überstreichen soll zeigen, ob das Pferd sicher an den Gewichts- und Schenkelhilfen des Reiters steht und sich ausbalanciert, ohne sich auf die Reiterhand abzustützen, sich also selbst trägt. „Ein Pferd, das nicht in Selbsthaltung geht, kippt beim Überstreichen entweder nach unten ab, rollt sich weg, hebt sich heraus, schlägt mit dem Kopf, wird eiliger, fällt auf die Vorhand oder auseinander“, erklärt die Dressurausbilderin Britta Schöffmann. „Manche Reiter machen dann den Fehler, vorsichtshalber gar nicht erst überzustreichen, aus Angst, eine dieser Reaktionen könnte passieren. Doch das ist falsch. Selbst unerwünschte Reaktionen teilen dem Reiter sehr viel mit bezüglich seiner vorhergegangenen Arbeit und sind Anlass, sich selbst zu hinterfragen.“

Können auch junge Pferde in Selbsthaltung gehen?

In der Reitlehrer Müselers wird das verneint. „In Selbsthaltung gehen nur Pferde, die dank einer richtigen Ausbildung ihre Rücken und Nackenmuskulatur so entwickelt haben, dass sie sich unter dem Reiter selbst halten können. Von jungen Pferden darf man folglich keine Selbsthaltung fordern.“

Dressurausbilderin Claudia Butry spannt den Bogen da etwas weiter: „Sehe ich davon ab, die Kopf-Halshaltung mit dem Zügel zu kombinieren, dann finde ich die Selbsthaltung in allen Stadien: Ein junges Pferd das lernt, sich auszubalancieren, kann in einer Selbsthaltung gehen, wenn der Reiter nicht stört und mit den Zügeln einfach nur da ist. Dann spreche ich von einer Remontenhaltung in Form einer Selbsthaltung. Je weiter das Pferd in der Ausbildung voranschreitet und Schub und Tragkraft ausbildet, vor allem Tragkraft, desto mehr kommt es in eine vertikale Aufrichtung hinein. Letztendlich hat das Pferd in der Selbsthaltung das Pferd den Hals als Balancierstange frei. Je nach Ausbildungsstand wird die Selbsthaltung aufrechter und freier. Das Pferd kann aus dem Brustbein und Widerristbereich nach oben, nach vorwärts-aufwärts wachsen.“

Versammlung Pferd: Von der Selbsthaltung in die Versammlung

Ganz zu Anfang dieses Artikels solltest du dir ein Pferd in Arbeitshaltung vorstellen, bei dem Rücken und Hinterbein gut mitarbeiten und es an der Senkrechten steht. Das ist die Ausgangssituation um dein Pferd mehr auf die Hinterhand zu bekommen, was wiederum der erste Schritt in Richtung Versammlung ist! Wenn sich dein Pferd auf den Zügel legt oder hinter dem Zügel geht, wird es nicht möglich sein die Versammlung zu erarbeiten. Je mehr sich dein Pferd jedoch auf die Hinterhand setzt, desto besser und feiner wird es sich selbst tragen. Die beiden Komponente bedingen sich also gegenseitig! Denn das an die Hilfen gestellte Pferd gelangt bei fortschreitender Dressur sehr bald zur Selbsthaltung; „desto schneller, je feiner abgestimmt die Hilfen des Reiters sind und mit je feineren Zügeleinwirkungen er auskommt.“

Tatsächlich gibt es die Selbsthaltung jedoch in nahezu jeder Form, die der Reiter gerade dem Pferd vorschlägt. Spannend ist dazu die Erklärung aus dem Müseler: „Unter Selbsthaltung wird in der Reitersprache das scheinbar selbstständige Festhalten des Pferdes an der ihm vom Reiter gerade vorgeschriebene Haltung verstanden.“ Achtung, jetzt kommt’s: „Auch dieser Ausdruck bezieht sich demnach keineswegs auf eine bestimmte Höhe oder äußere Form der Haltung.“

Versammlung Pferd: Beispiel
Selbsthaltung ist anspruchsvoll und nichts, was man so zwischendurch mal eben abhaken kann.

Probleme beim Erarbeiten der Versammlung: Was tue ich, wenn mein Pferd auf den Zügel drückt?

Aber was nun, wenn dein Pferd eben nicht an den Zügel ranzieht und du gefühlt mehrere Kilos in den Händen hast? Unschön, das fühlt sich nicht gut an und das Ziel Selbsthaltung und somit auch Versammlung ist noch ziemlich weit entfernt. „Der stärkste Gegensatz zur Selbsthaltung wäre es, wenn ein Pferd auf den Zügel drückt“, so steht es in dem hier viel zitierten Buch von Müseler. Und, Achtung, wichtig: „Sogenannte Selbsthaltung ist nur bei voller Harmonie zwischen Reiter und Pferd richtig vorhanden.“ Der letzte Satz zeigt: Selbsthaltung ist nichts, was man so zwischendurch mal eben abhaken kann. Das ist höchst anspruchsvoll!

Es gibt nicht die eine Übung, die dich und dein Pferd weg vom Zügel und hin zu einer verbesserten Selbsthaltung bringt. Es ist das Gesamtkonzept Pferdeausbildung, was euch dort hinführen wird. Wenn man etwas herauspicken möchte, dann könnte man sagen: Viele Übergänge reiten. Das ist auch in den Richtlinien Reiten und Fahren der FN kurz angesprochen: „Nachgebende, aushaltende und annehmende Zügelhilfen finden ihre Anwendung immer in Verbindung mit entsprechenden Gewichts- und Schenkelhilfen zum Beispiel zur Verbesserung der Selbsthaltung und Anlehnung oder bei ganzen Paraden, also bei Übergängen zum Halten.“ Allerdings wirst du je nach Ausbilder und dessen Philosphie weitaus differenziertere Ideen zur Verbesserung der Selbsthaltung finden.

Selbsthaltung Dressur Uta Gräf
Alle Übungen, bei denen dein Pferd hinten Last aufnehmen muss und dann mit Energie und aktivem Hinterbein lebendig unter den Schwerpunkt fußt, sind förderlich.

Beginn der Versammlung: Wie bekomme ich mein Pferd mehr auf die Hinterhand?

Der erste Hinweis von Ingrid Klimke lautet: Je nachdem, wie das Pferd gebaut ist, wird dieser Weg einfacher oder schwieriger sein. Ist das Gebäude des Pferdes eher rechteckig oder eher geschloßen? Ist die Hinterhand gut gewinkelt oder eher steil? Diese Punkte machen sich in der Ausbildung bemerkbar.

Hier in aller Kürze die Tipps von Ingrid Klimke:

  • Es gibt ein Allheilmittel und das heißt: Übergänge reiten! 
  • Trab-Schritt-Trab Übergänge mit nur ein, zwei Schritten beispielsweise mehrfach wiederholen.
  • Trab-Halt-Trab Übergänge einbauen.
  • Trab-Halt-Rückwärtstreten-Trab Übergänge reiten.
  • Ein weiterer passender Übungsablauf ist es, auf dem Zirkel im Galopp den Zirkel zu verkleinern und dabei das Pferd zu versammeln. Dann wieder den Zirkel vergrößern und dabei etwas zulegen.
  • Der Wechsel aus Vorwärts, Sicherstellen, dass das Pferd vor dem Bein ist, und dem Versammeln ist wichtig!
  • Alle Übungen, bei denen das Pferd hinten Last aufnehmen muss und dann mit Energie und aktivem Hinterbein lebendig unter den Schwerpunkt fußt, sind förderlich.

Versammlung Pferd: Ingrid Klimkes Tipps

Und was tun, wenn das Pferd nicht so gerne Last aufnehmen möchte? Ingrid Klimke erklärt in dieser Videonachricht, wo sie ansetzen würde. Das Pferd unserer Zuschauerin Nina ist im Trab sehr eilig, und möchte sich nicht so gern versammeln.

Ingrid Klimkes Tipps:

  • Übergänge, Übergänge, Übergänge!
  • Zum Beispiel so: Auf den Zirkel gehen, Übergänge reiten Trab-Schritt-Trab-Schritt-Trab-Halten. Dabei versuchen, immer wieder Schritt für Schritt zurück zu kommen
  • Darauf achten, dass das Pferd noch mehr unter den Schwerpunkt kommt, also: Jedes Mal noch ein bisschen mehr Hankenbeugung, so dass das Pferd hinten tiefer wird und vorn größer.
  • Wichtig: Nase dabei schön vorlassen!
  • Genick soll höchster Punkt bleiben, „so dass ich richtig das Gefühl habe, dass sich durch den Übergang wie eine Ziehharmonika zusammenschiebt!“
  • Immer wieder daran denken, aus dem Übergang herauszureiten
  • Wichtig: Nicht zu lange so arbeiten! Kurze Reprisen und das Zurückkommen immer wieder nach vorne auflösen!
  • Weitere Möglichkeit: Innerhalb vom Trab deutliche halbe Parade geben, den Trab aufnehmen beim eilig werden
  • Das Ende der halben Parade stets durch Nachgeben beenden.

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