Wie viel Heu soll ein Pferd bekommen? Die Meinungen dazu gehen weit auseinander: „Mein Pferd wird zu dick, es darf nicht so viel fressen!“ befürchten die einen. „Das einzig pferdegerechte ist die Ad-Libitum-Fütterung! Denn nur wenn ständig Heu zur Verfügung steht, bleibt der Magen des Pferdes gesund“, sagen die anderen. Heufütterung und welchen Heubedarf ein Pferd hat, das kann zu einem Glaubenskrieg unter Pferdehaltern werden.
Fütterungsmythen und der tatsächliche Heubedarf
Deshalb erst mal zu den Grundlagen der Pferdeernährung. Früher galt die Richtlinie: 1 bis 1,5 Kilogramm Heu füttern pro 100 Kilogramm Körpergewicht des Pferdes. Das war die Standardempfehlung für den Heubedarf. Heute streiten sich Pferdebesitzer im Netz, ob es denn eher 2 oder vielleicht sogar gleich mehrere Kilogramm pro 100 kg Körpergewicht sein sollen. Fütterungsexperten sehen das differenzierter. Keine der Meinungen ist komplett falsch und keine komplett richtig.
Es kommt nämlich auf den Pferdetyp an. „Wenn ich ein Shetty nach der Regel 5 kg pro 100 Kilogramm Heu füttere, dann bekommt es 10 Kilo Heu am Tag. Das ist eine durchschnittliche Warmblutportion, einfach viel zu viel!“ erklärt Fütterungsexpertin Janet Metz. Es drohen dem Shetty dann Übergewicht, Stoffwechselprobleme, Hufrehegefahr. „Das Tückische ist: Es ist ein schleichender Prozess. Erst werden diese Ponys im Schulterbereich breiter, der Widerrist verschwindet, auf der Kruppe entstehen Pölsterchen, der Bauch hängt. Der Mähnenkamm wird härter.“ Zu diesen äußeren Merkmalen kommen irgendwann gesundheitliche Beschwerden, Stoffwechselprobleme, die in Krankheiten münden können.
Der Unterschied im Heubedarf je nach Rasse und Alter
Wo ein Vollblüter in Arbeit vielleicht fünf Kilo Heu pro 100 Kilogramm Körpermasse durchaus umsetzen kann, wird ein Shetty damit dick und krank. „Robustrassen sind Fettspeicherrassen, sie können mehr Energie als Fett speichern als ein Vollblut“, erklärt Janet Metz. „Diese Rassen kommen aus Regionen, wo sie im Winter tagelange Fresspausen einlegen. Das sieht man auch noch heute: Die Shettys auf den Shetlandinseln stehen energiesparend herum, wenn das Wetter ungastlich ist und warten, statt zu fressen. Sie zehren dann von ihren Reserven.“ Doch solche Hungerphasen haben unsere Pferde kaum, sie verfetten stattdessen. Bedeutet: Eine Nordrasse wie ein Isländer, Shetlandpony oder Norweger hat tendenziell einen kleineren Heubedarf als eine Südrasse. Merkmale wie Arbeitsleistung, Art der Haltung und Alter kommen noch hinzu. Deshalb ist ein pauschaler Kilogramm-Wert kaum festzuhalten.
Als einzig gültige Faustregel für den Heubedarf gilt für Janet Metz: „Es darf nicht unter 1 Kilo Heu pro 100 Kilogramm Körpergewicht gefüttert werden. Diese Menge Heu bietet ein Minimum an Rohfasern, die im Pferd landen müssen. Sonst wird der Darm träge, das führt zu Problemen.“ Der Darm fällt dann gegebenenfalls sogar in sich zusammen.
Heurationen berechnen
Wie du eine Ration für ein Pferd berechnest, lernst du im Grundkurs Pferdfütterung mit Conny Röhm auf wehorse. Sie beginnt eine Rationsberechnung damit, die so genannte Appetitsgrenze herauszufinden. Das bedeutet: Du separierst dein Pferd und lässt es sechs oder zwölf Stunden lang so viel zuvor ausgewogenes Heu fressen, wie es möchte. Einschränkung: Das geht natürlich nicht mit Pferden die zum Beispiel hufrehegefährdet sind oder adipös sind! Die gefressene Menge Heu rechnest du dann hoch auf 14 bis 16 Stunden. Du brauchst nämlich die Antwort auf die Frage: „Wie viel möchte mein Pferd fressen, wenn ich es lasse?“ Ob die Ration später aus Heu und Stroh, Heu oder Heu, Stroh und Knabberästen besteht, ist erst mal egal. Wenn du weißt, wie viel es aufnehmen möchte, also welchen Heubedarf es hat, weißt du, wie viel Rohfasern es braucht, um ein Sättigungsgefühl zu entwickeln. Erst in weiteren Schritten passt du die Ration dann so an, dass es satt wird, aber dabei nicht über- oder unterversorgt wird.
Der nächste Schritt: Mit Tabellen aus der Fachliteratur vergleichen! Du vergleichst, wie viel Energie, Eiweiß und Rohfasern du aktuell fütterst und ob das zur Appetitsgrenze deines Pferdes passt.
Für die Bedarfsberechnung für dein Pferd musst du nun – tatsächlich! – ein paar Rechenaufgaben lösen und die Nährwerte deines Heus kennen. Das ist kein Hexenwerk, braucht aber schon etwas Mühe und Geduld. Ein Grundsatz von Conny Röhm heißt zum Beispiel: „Wer reiten will, muss füttern können!“ Pferdeernährung ist Grundwissen für jeden Reiter und auch ein Handwerk. Du kannst es erlernen.
Tatsächlicher Heubedarf: Woher kommt die Empfehlung 1 kg Heu auf 100 kg Körpermasse?
Die frühere Standardempfehlung von 1-1,5 Kilo Heu pro 100 Kilogramm Pferd entstand übrigens, weil man dabei von einem 600 kg Warmblut ausging. Das braucht 2-3 kg Rohfaser für seine Darmtätigkeit und war mit dieser Menge meist satt und zufrieden. Bei einer anderen Rasse, einem Islandpferd zum Beispiel, kann das aber ganz anders aussehen: Ein durchschnittliches Islandpferd hat mit 5-6 Kilo Heu seinen Energiebedarf gedeckt. Doch die Rohfaseraufnahme ist dann noch nicht genug gesichert.
Was sind Rohfasern?
„Die Rohfaser ist die Gerüstsubstanz der Pflanze, es geht um die holzigen Anteile“, erklärt Futterexpertin Janet Metz. Sie ist wichtig für die Verdauung, insbesondere für die Bakterienverdauung im Dickdarm. „Pferde können zudem aus diesen Ballaststoffen noch Nährstoffe rausziehen. Anders als wir Menschen, wir scheiden diese Anteile aus!“, erklärt sie. Um einen ausreichenden Rohfasergehalt im Heu zu erhalten, „sollte das Heu mindestens 30 cm lang sein“, erklärt sie.
Was ist Raufutter?
Heu fällt unter den Begriff Raufutter. Dieses macht einen Hauptbestandteil der Ration des Pferdes aus und erfüllt den Großteil des Nährstoffbedarfs des Pferdes. Stroh ist zum Beispiel ebenso ein Raufutter-Lieferant, darf aber nur zu 1/3 die Ration ergänzen, ansonsten kann es zu Verstopfungskoliken kommen.
Was tun, wenn im Pensionsstall zu wenig Heu gefüttert wird und der Heubedarf nicht gedeckt werden kann?
Eine heikle Sache! Futterberaterin Janet Metz kennt solche Situationen aus ihren Beratungen: „Wenn Ställe nur zwei Heufütterungen am Tag anbieten, manchmal sogar noch innerhalb von sechs Stunden, ist das wirklich schwierig“, erzählt sie. „Man kann versuchen, Zwischenrationen einzubringen, zum Beispiel Heucobs zu füttern oder Stroh und Äste einmal am Tag zusätzlich anzubieten.“ Wie viele Heucobs Sinn machen, errechnet sie für ihre Kunden individuell, aber eine grobe Schätzung gibt es: „mit einem Kilo Heucobs als Zwischenmahlzeit liegt man selten falsch“, sagt sie. Wird grundsätzlich zwar genug Heu gefüttert, aber diese Menge nur auf zwei Mahlzeiten verteilt, dann „reicht vielleicht auch eine Umverteilung oder das Füttern aus Heunetzen um die Fresszeiten zu verlängern“, erklärt sie. Wenn solche pragmatischen Lösungen nicht funktionierten, sollte man über einen Stallwechsel nachdenken.
Wie entsteht gute Heuqualität?
„Heumachen ist eine Kunst“! sagt Conny Röhm. „Es sollte gut riechen. Nicht jedes grasgrüne Heu ist das beste“, sagt sie. Nicht zu weich sollten die Halme sein und gern griffig.
Sinnesprobe und Heuqualität
Die so genannte Sinnesprobe liefert dir erste Hinweise auf die Qualität des Heus: Wie riecht es, wie sieht es aus, wie fasst es sich an? „Heu sollte nicht zu fest gepresst sein, denn je enger gepresst wird, desto größer wird die Gefahr einer Verpilzung des Heus“, erklärt Janet Metz. „Eine tabakbraune Farbe ist ein Alarmsignal und diese Farbe geht oft einher mit zu hohem Pressen und Brandgeruch“, erklärt sie. Das ist aber ein Extremfall. Gute Anzeichen sind: Wenn Samen, Saaten, Blätter und Blütenknospen sichtbar sind. Vorsicht, wenn es in der Nase kitzelt! Wenn Du die Nase tief ins Heu steckst, einatmest und es kitzelt, dann kann das auf eine Schimmelbildung hindeuten, erklärt die Expertin. „Solch ein Stechen kann bis in die Stirnhöhle ziehen“, sagt sie. Sicher geht da, wer sein Heu analysieren lässt.
Was bringen Heuanalysen?
Heu muss nach der Ernte mindestens acht Wochen liegen. Nach sechs Wochen kann man schon eine Heuanalyse machen lassen. Du erfährst bei so einer Analyse, wie viel Proteine, Zucker und Energie im Heu sind. Wenn du zudem eine Analyse der Spurenelemente beauftragst, weißt du, wie viel der wichtigsten Spurenelemente in deinem Heu vorhanden sind, also zum Beispiel wie die Zink-, Kupfer-, Mangan- und Selenwerte aussehen. Danach kannst du dann schauen, welches Mineralfutter passend für dein Heu ist. Das kann nämlich sehr unterschiedlich sein! Vielleicht hast du genug Zink im Heu, aber musst auf Selen achten.
Wo und wann kannst du eine Heuanalyse machen lassen?
Heuanalysen bieten den Landwirtschaftskammern angeschlossene Labore, unabhängige Labore und auch manche Futtermittelhersteller an. Du musst aus verschiedenen deiner Heuballen Proben nehmen, so eine Handvoll in etwa und diese mischen. Je nach Labor sind es so um die 500 Gramm bis ein Kilo Heu, das du gut verpackt einschickst. In einem Fragebogen gibst du an, was genau getestet werden soll.
Wie viel Zucker und Fruktan darf im Heu sein?
Es macht Sinn, jedes Jahr das Heu zu analysieren: „Der Zuckerwert ist von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich“, erzählt Janet Metz. „Von der gleichen Wiese habe ich schon bis zu 100g Unterschied im Zuckergehalt gesehen!“ Der Zuckeranteil sollte im Idealfall nicht über 100 g pro 1kg Heu reichen, für stoffwechselempfindliche Pferde darf er tatsächlich nicht höher liegen. „Sportpferde, die viel bewegt werden, kommen auch mit Heu zurecht, das höhere Zuckerwerte hat“, erklärt Janet Metz.
Wenn dich das Thema Fütterung interessiert, dann lies auf jeden Fall unseren Artikel zum Thema Pferde richtig anweiden.