Die Working Equitation begeistert immer mehr Reiter. Warum eigentlich? Wir haben nachgefragt, was Umsteiger und Einsteiger an ihr besonders schätzen. Oben im Bild siehst Du jemanden, der ganz zu Hause ist in der Working Equitation: Das ist Stefan Schneider, der Mann von Dressurreiterin Uta Gräf.
Die Klassen in der Working Equitation
Es gibt vier Disziplinen in der Working Equitation: Die Dressur, den Stiltrail, den Speedtrail und die Rinderarbeit, wobei die Dressur den wichtigsten Part ausmacht. Auf Turnieren in Deutschland starten die Reiter von Klasse E bis S und sind daher dem FN-System nicht unähnlich. In E und A besteht eine Prüfung immer aus Dressur und Stiltrail, ab L ist auch Speedtrail und Rinderarbeit dabei. Was nie geht: nur eine dieser Prüfungen herauspicken!
Random Facts:
- E und A sind die Disziplinen für die Einsteiger. Hier geht es nur um den Stil, die Korrektheit der Aufgaben. Working Equitation ist generell in Dressur, Trail und Rinderarbeit gegliedert. Die Rinderarbeit ist jedoch nicht immer ausgeschrieben.
- Ab Klasse L kommt der Speedtrail hinzu. Der Dachverband ist die WED, die Working Equitation e.V. Deutschland. Bevor Reiter auf einem Turnier mit Rindern arbeiten dürfen, müssen sie in einem Kurs einen so genannten „Rinderschein“ erwerben. Dieser dient der Gewöhnung des Pferdes an die Kühe, ist aber auch aus Tierschutzgründen für die Rinder erforderlich, damit die Reiter wissen, wie sie die Rinder möglichst stressfrei behandeln.
- Die Hindernisse im Stil- und im Speedtrail sind mindestens sechs Stück und sie können variieren: Es gibt zum Beispiel die Brücke, das Tor, den Slalom, kleine Sprünge oder den Pferch.
- Die Garocha ist fester Bestandteil der Klassen M und S: Dann muss der Reiter die lange Stange aus einem Fass nehmen, mit ihr durch einen Ring stechen und sie zurück ins Fass stellen.
Weitere Infos über Working Equitation als Ganzes und welche Trainer auf wehorse dir Working Equitation näherbringen können, findest du auf der Kategorieseite.
Welche Pferde eignen sich besonders gut für die Working Equitation?
„In der Working Equitation kann man auch mit einem gut gerittenem Pferd, das nicht das letzte Bewegungspotential hat, weit kommen!“, sagt Birte Oswald. Sie reitet in der Working Equitation in der höchsten Klasse und trainiert bei Profi Stefan Schneider. Falls du mehr über Stefan Schneider erfahren willst: im Podcast erzählt er davon warum er Working Equitation liebt.
Das deutsche WM-Team 2014 bestand zum Beispiel aus einem Haflinger-Quarter Mix, einem Welsh-Cob, einem golden Pinto und einem Quarterhorse. „Die Einstellung des Pferdes macht ganz viel aus“, erklärt Birte Ostwald. Auch ein Pferd, das nicht das optimale Exterieur eines Working Equitation Pferdes hat, kann gute Leistungen bringen, wenn es Spaß an der Sache hat. Die typischste Rasse für die Working Equitation ist der Lusitano. „Sie bringen meist einen guten Galopp mit, und das ist essentiell, genauso wie einen guten Schritt. Pferde für die Working Equtiation müssen im Schritt keine drei Hufbreiten übertreten, aber der Schritt muss gut im Takt sein.“
Ist die Working Equitation näher an der Dressur oder am Westernreiten dran?
Die Dressur ist der wichtigste Part. „Die Pferde sollen die Lektionen genauso korrekt ausführen wie auf einem konventionellen Turnier“, sagt Birte Ostwald. Der Ursprung der Working Equitation liegt in den südeuropäischen Arbeitsreitweisen, die ihren Ursprung in Spanien, Portugal, Italien und Frankreich haben, erklärt Birte Ostwald. „Es wird in Anlehnung geritten, das Pferd soll die Stirnlinie an der Senkrechten tragen und ans Gebiss ziehen – anders, als zum Beispiel beim Westernreiten“.
Auch die Ausrüstung des Pferdes ist eher an die Dressur angelegt: Typischerweise wird in den höheren Klassen auf blanker Kandare geritten. Auf E und A Niveau sind die Prüfungen auf Trense ausgeschrieben, ab Klasse L darf das Pelham mit vier Zügeln und kurzen Anzügen genutzt werden.
Nina Naude: klassische Dressurausbilderin, mit Lippizaner Favory
„Vom Herzen her bin ich die klassische Dressurreiterin. Bei Freunden in Südtirol lernte ich deren Arbeitsreitweise kennen. Die nennen das dort nicht Working Equitation, aber es ist ähnlich: einhändig reiten, Labyrinthe bewältigen, Ringstechen, mit einer Garocha reiten und Tore auf- und zumachen. Das macht Spaß, sowohl dem Reiter wie dem Pferd. In der Working Equitation habe ich beides vereint: Den Spaß, die Aufgaben mit dem Pferd bewältigen zu können und ein gut gymnastiziertes und dressurmäßig gut gearbeitetes Pferd zu zeigen. Ich finde es schön, mit dem Pferd etwas zu machen, statt die Dressur als Selbstzweck zu betreiben.
Vor drei Jahren habe ich einen Kursplatz bei Mihai Maldea ergattert, der für Deutschland im Nationalteam der Working Equitation ritt. Das war meine erste Erfahrung mit der Disziplin. Er hat den Kurs sehr ruhig und gut aufeinander aufgebaut, das war toll. Meine Dressurarbeit ist dadurch vielfältiger geworden. Ich baue nun Trailhindernisse immer mal wieder mit in die normale Arbeit ein, wie den Sidepass. Das ist das Übertreten lassen über eine Stange, die am Boden liegt. Das Pferd steht mit den Vorderbeinen vor, mit den Hinterbeinen hinter der Stange und soll seitwärts übertreten. Wenn ich ein Pferd habe, das das Schenkelweichen schon kann, probiere ich das gern mal. Dabei habe ich den Eindruck, dass die Pferde es so viel besser durch die Stange verstehen! Es ist, als ob sie sagen würden: ‚Ahhh, das kann man mit Schenkelweichen machen!‘ Das Ziel bei der Working Equitation ist es, auf blanker Kandare zu reiten. Mir ist es immer schon ein Anliegen gewesen, fein zu reiten. Aber das Reiten auf blanker Kandare hat mir noch mal einen Ticken mehr bewusst gemacht, wie sehr es nötig ist, Dein Pferd am Sitz zu haben und es noch viel leichter und feiner ausbilden.
Das Wichtigste für den Einstieg ist, keine Scheu zu haben! Einfach trauen. Ab und zu sonntags baue ich auf meinem Hof einen Trailparcours auf, mit Brücke, Stier, Stangen-L mit Glocke. Die typische Reaktion ist, dass die Leute es sehr interessant finden, aber erst mal sagen ‚oh, ich bin dafür noch zu schlecht!‘. Man muss ja nicht direkt alles einhändig im Galopp reiten. Es bringt auch Spaß, wenn man erst mal im Schritt anfängt.“ Nina Naudet ist unten mit ihrem Lipizzaner im Bild zu sehen.
Ann Brab: ambitionierte Freizeitreiterin, mit Connemarawallach Lian
„Übliche Sportturniere kamen für mich nicht mehr in Frage. Dennoch suchte ich etwas, das mich und mein Pferd fördert. Als ältere Ponyreiterin fühle ich mich auf einem konventionellen Turnier völlig deplatziert. In Working-Equitation-Prüfungen ist es jedoch völlig normal, mit verschiedenen Rassen da anzukommen. Auf den kleinen Working-Equitation-Turnieren, auf denen ich bisher war, herrschte immer eine sehr offene Einstellung, eine tolle Gemeinschaft. Man bekommt Tipps und Hilfestellung, auch von den Profis. Generell mag ich die Vielseitigkeit der Disziplin. Mich fasziniert an der Working Equitation, dass sie eine Arbeitsreitweise ist, die gescheites Reiten fördert, aber auch die Mitarbeit des Pferdes benötigt. Die Partnerschaft mit dem Pferd ist hier zentral!“ Ann Brab ist auf dem Foto oben mit ihrem Connemarapony zu sehen.
Philipp Renker: ambitionierter Freizeitreiter,
mit Camarguepferd Octobre de Layalle
„Ich bin zuvor auf Camargue-Turnieren gestartet, was recht ähnlich zur Working Equitation ist. Irgendwann haben wir auf unserem Hof einen Kurs mit Ausbilder Fritz Kümmel organisiert, das war mein erster wirklicher Kontakt mit der Disziplin. 2012 bin ich das erste Turnier geritten. Zu glauben, dass es in der Working Equitation mehr Männer gibt, als in anderen Pferdedisziplinen, ist jedoch falsch! Auf meinem letzten Turnier, einer L-Prüfung, waren wir zwei Männer unter 13 Teilnehmern. Die Turnieratmosphäre ist immer familiär und locker. Das ist etwas für anspruchsvolle Freizeitreiter, die mit ihrem Pferd viel erleben wollen und sich das Vertrauen erarbeiten möchten. Durch ein Tor vor- und rückwärts zu gehen macht ein Pferd nicht unbedingt freiwillig für ein Leckerli, da muss man schon etwas für tun.
Jedes Turnier ist anders, weil die Hindernisse durchaus variieren, zum Beispiel ist die Brücke unterschiedlich dekoriert. Deshalb kann man nicht komplett vorbereitet sein, das macht es spannend. Auch für Leute, die Spaß an der Dressur haben, aber sich auf FN Turnieren nicht so wohl fühlen, ist das was, sowie für Reiter von Barock- und Arbeitspferderassen. Es geht aber auch mit Warmblütern – nur wenn die zu groß sind, kann das zu einem Nachteil werden, weil so viel Wendigkeit gefragt ist. Man merkt in den Prüfungen der Working Equitation gut, wie die Pferde mitdenken. Wenn ich mit meinem Octobre Rinder sortiere, dann merke ich, dass er immer einen Schritt voraus ist. Den Camargues wird ja Cowsense nachgesagt, das macht schon Spaß! Für die Rinder ist das nicht stressig, man achtet ja darauf, dass man das sehr ruhig macht. Man reitet im Schritt in die Herde, sortiert und bringt sie dann erst dazu, dort hinzugehen, wo man sie hinhaben möchtest.“ Auf dem Bild oben ist Philipp Renker im Geländetrail mit Octobre de Layalle zu sehen.
Annika Schon: Leiterin der Kampageschule Löwenzahn, reitet privat eine Trakehner- und eine PRE-Stute
„Ich interessiere mich besonders für die Vielseitigkeit und für Working-Equitation. An beiden Disziplinen mag ich, dass man verschiedene Aufgaben bewältigen muss. In der Working Equitation reicht es nicht, dass das Pferd nur brav in der Rinderarbeit ist, oder nur gut in der Dressur ist. Beides muss stimmen. Grundsätzlich finde ich die Idee total gut, das dressurmäßige Arbeiten mit einer Aufgabe zu verbinden. Du bekommst in der Working Equitation sofort eine Rückmeldung: Wenn Du beim Parallelslalom Dein Pferd nicht richtig gebogen hast, kommst Du nicht korrekt ans nächste Hütchen. Den Aufbau vom Parallelslalom muss man sich wie eine Zick-Zack-Linie aus Hütchen vorstellen. Das Ziel ist, ganz gleichmäßig, also mit demselben Abstand, um die Hütchen zu reiten. Wenn das Pferd nicht gleichmäßig um den inneren Schenkel gebogen ist, verliert man die Linie. Die Abstände werden ungleichmäßig. Es gibt viele Fehlermöglichkeiten: Das Pferd schwenkt mit der Kruppe aus der Biegung, oder der Weg zum nächsten Hütchen wird zu eng und man schafft es kaum mehr, die nächste Wendung gut einzuleiten. Anfangs macht man das im Schritt, dann im Trab. Das Ziel ist, dass man das einhändig im Galopp reiten kann. Dann muss es noch akkurater sein, damit der fliegende Galoppwechsel klappt. Es ist sehr wenig Platz da, um den Moment abzupassen, in dem Du das Pferd gerade richtest für den Wechsel. Reitest Du das nicht akkurat, dann springen die Pferde nach, landen im Kreuzgalopp oder wechseln gar nicht. Durch den Aufbau merkt man sehr stark die Händigkeit des Pferdes. Zum Beispiel bei Tonnen, die umritten werden sollen. Ich nutze die Elemente der Working Equitation für mich selbst und auch für meine Reitschüler. Auch meine Schulpferde profitieren davon: Sie lernen, Brücken zu überqueren und entspannt und gelassen in jeglicher Situation zu bleiben. Wir haben vom Isländer bis zum Sportpferd alles auf dem Hof. Du merkst zwar, dass sie nicht in allem gleich gut sind, aber allen tut das gut. Es gibt bei uns kein Pferd, das in fremder Umgebung oder im Gelände parkt und sagt: ‚Da gehe ich nicht entlang’. Die Pferde sind alle sehr unerschrocken und gelassen. Das hat auch etwas mit dieser vielseitigen Ausbildung und den Elementen aus der Working Equitation zu tun.“ Auf dem Foto oben ist sie mit ihrer Trakehnerstute inmitten der Rinder zu sehen.
wehorse-Kurse über Working Equitation
Bei wehorse findest Du den wahrscheinlich bekanntesten Working-Equitation-Lehrer weltweit: Pedro Torres. Wir haben bei ihm daheim gedreht, im Blog kannst Du lesen, wie es bei Pedro Torres daheim so ist. Beeindruckend ist auch sein bestes Pferd Oxidado, ein Portrait über dieses Pferd findest Du auch im Blog. In Deutschland ist Uta Gräfs Mann Stefan Schneider bekannt dafür, dass er in der Working Equitation zuhause ist. Er ist auf dem Rothenkircher Hof, auf dem beide zuhause sind, für die Grundausbildung am Boden zuständig. Besonders bei jungen Hengsten hilft er seiner Frau da sehr – es sei durch diese solide Vorarbeit weitaus einfacher im Sattel, erklärt Uta Gräf. Warum „die Working“ seine große Leidenschaft ist, erklärt der gebürtige Saarländer im wehorse Podcast.